Grete Otto: Diese Frau nimmt dich mit ins 19. Jahrhundert

Antje Jentsch, die mit Künstlernamen Grete Otto heißt, liebt die Belle Époque – jene Zeit zwischen 1890 und 1913 und vor den beiden Weltkriegen. Zuversichtlich und lebensfroh geht's damals im Bürgertum zu. Das sieht man auch der Mode an. BILD der FRAU hat Grete besucht – und ist eingetaucht in vier Stunden Belle Époque.
Mal in eine andere Rolle schlüpfen, von früheren Zeiten träumen – Nostalgie ist Trend! Zwölf Millionen Deutsche interessieren sich laut aktueller Umfrage für Geschichte. Und diese Frau macht jene Jahrhundertwende greifbar nah: Grete Otto. Sie liebt es, sich wie vor 100 Jahren anzuziehen und diese Zeit zu erforschen. BILD der FRAU hat sie getroffen.

Grete Otto: Diese Frau hält die Belle Époque am Leben
Die Reise 125 Jahre zurück dauert vier Stunden und 19 Minuten. Sie führt per U-Bahn und Intercity von Hamburg zum Hauptbahnhof Frankfurt, dann geht’s weiter im Auto in die Villa Rothschild im Taunus.
Die Tür geht auf, und dann steht da diese strahlend stolze Frau, die aussieht, als würde sie aus der vorletzten Jahrhundertwende kommen – als all die modernen Transportmittel gerade erst im Entstehen waren. Bodenlanges Seidenkleid, schwarze Netzhandschuhe, lila Perlenhandtasche in der linken Hand. Die rechte streckt sie aus: "Willkommen, ich bin Antje Jentsch." Ich schüttle die Hand und frage: "Darf ich Grete sagen?"

Grete Otto ist der Künstlername von Antje – und er passt so viel besser zu ihrem Aufzug heute! Denn diese Frau lebt mit einer Hälfte des Herzens in einer längst vergangenen Zeit.
Vor ein paar Wochen hatte Antje alias Grete an Bild der Frau geschrieben, weil sie Spannendes über die allerersten Frauenzeitschriften herausgefunden hatte. Es zeigte sich schnell: Sie hat selbst eine sagenhaft tolle Geschichte. Antje Jentsch liebt Zeitreisen. Ihre führen sie in die Belle Époque – die Zeit von 1890 bis 1913, in der es für das Bürgertum einen Aufschwung gab, dazu viele Errungenschaften für Frauen. Diese Zeit will Antje zum Leben erwecken – mit Vorträgen und Auftritten in herrlichen Outfits.
Warum Grete Otto heute die Belle Époque liebt
Wie sie dazu kam? Früher hat Antje Jentsch im Projektmanagement gearbeitet, sie bekam zwei Söhne, führte eine Agentur für Kunstlizenzen. "Aber als ich 50 war, fragte ich mich so langsam, ob ich das bis zur Rente machen will …"
Dann geht sie auf einen Flohmarkt! Da fällt ihr das Jahrbuch einer Familienzeitschrift von 1907 in die Hand. Sie verschlingt die Berichte über Mode, Politik, die Küchen-Tipps. Sie will mehr wissen: Wie haben unsere Vorfahren gelebt?
Ein Kleid, ein Name, eine Reise – wie alles begann
Antje lässt sich das erste Kleid im alten Stil nähen, fährt damit nach Kandersteg (Schweiz) zu einem Treffen für Gleichgesinnte. Danach gibt es kein Halten mehr: Nach 20 Jahren verkauft sie ihre Agentur, kreiert ihren Künstlernamen und gründet 2018 die Homepage buergerleben.com, auf der sie Bücher, Hotels oder Events für Fans dieser Zeit vorstellt.
Außerdem hat sie Kooperationen, von denen sie heute leben kann. "Ich stelle auch Bastel-Tipps wie Kreuzstickerei oder alte Rezepte vor." Wie den "Dr. Oetker Osterkuchen" mit sieben Eiern. Sie lacht. "Als ich das Rezept ausprobierte, reichte die Menge für zwei Formen. Damals saßen durch die Großfamilien ja viel mehr Esser am Tisch."
Das Interesse an ihren Recherchen ist riesig. Sie sagt stolz: "Heute ist meine Website die meistgelesene Geschichtsseite." Fürs erste Foto spazieren wir in den Blauen Salon. Ihr Seidenrock raschelt. Als Grete versprüht sie mit ihrem aufrechten Gang Stolz und Würde. Sie tippt: "Liegt wohl eher am Korsett!"
Ein Nachmittag wie aus einem alten Roman
Exklusiv für Bild der Frau hat die elegante Frau zig Kleidersäcke und Hutschachteln in die Villa Rothschild gefahren – ihre historischen Kostüme, die sie bisher anfertigen ließ, dazu Flohmarktfunde, die sie selbst aufhübschte. Warum sie so viel Liebe in die Outfits steckt? "Weil ich ganz nachempfinden will, wie es sich damals anfühlte."
Fühlen ist unser Stichwort. Als ich Grete ins nächste Kostüm helfe, reicht sie mir den karierten Rock, Jacke und Federhut. "Schlüpfe mal rein, dann merkst du es selbst." Ein paar Minuten später schreiten wir zusammen die Treppe runter. Und krass: Ich fühle mich jetzt noch viel mehr zurückversetzt in die bürgerliche Zeit.

Wir sitzen vor ihren alten Kaffeegedecken mit Silberrand, blättern in alten Frauenzeitschriften, die "Dies Blatt gehört der Hausfrau" heißen, "Daheim" oder "Gartenlaube". Auf eng beschriebenen Seiten stehen Berichte über eine Kunstblumen-Werkstatt, ein Fortsetzungsroman, Modefotos, Bastel-Tipps zur Lampenverzierung, Ziele für die Sommerfrische. Dazu Rezepte für Gerstensuppe, Rührei mit Kartoffeln oder Vanillespeise. Nicht so übersichtlich wie heute in Bild der Frau – aber spannend anzusehen.
Aufregend ist er, dieser 125 Jahre alte Nachmittag. Als ich, die BILD der FRAU-Reporterin, mich vier Stunden später verabschiede, trage ich wieder Jeans. Nur noch eine Frage: Würde Antje gern ganz in der damaligen Zeit leben? Sie schüttelt den Kopf. "Nein! Es war auch ein hartes Leben mit einem schlecht entwickelten Gesundheitswesen und wenig Rechten für Frauen. Aber manchmal so eine kleine Zeitreise – das ist perfekt!"
Belle Époque: Die Zeit, in der vieles bewirkt wurde
- 1900: Ferdinand von Zeppelin erfindet das Luftschiff (=Zeppelin)
- 1893: Das erste Mädchen-Gymnasium wird in Karlsruhe eingeweiht
- Ab 1900: Universitäten für Frauen (z. B. Freiburg) öffnen
- 1888: Der Bahnhof Frankfurt entsteht, das Schienennetz folgt
- 1903: Marie Curie erhält als erste Wissenschaftlerin den Physik-Nobelpreis
- 1896: In Berlin gibt es das erste Kino
- Und: Der Jugendstil kommt auf
Autorin: Jana Henschel
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