Ex-Bodybuilderin: Ich wollte auch ein Thigh Gap, dieses Loch zwischen den Beinen haben
Als Bodybuilderin war Carina Møller-Mikkelsen ziemlich erfolgreich – mittlerweile ist die junge Frau lieber Curvy Model. Warum sie auf die Muskeln von einst pfeift und heute glücklicher ist, erzählt sie BILD der FRAU im Interview.
"Sei dein eigenes Schönheitsideal!" Dieser Satz springt einem auf der Webseite von Carina Møller-Mikkelsen als erstes ins Auge. Kein Zufall, ganz und gar nicht: Die Worte sind so etwas wie das Credo der jungen Frau geworden. Und sie weiß, wovon sie spricht: Heute zeigt sie sich im Netz so, wie sie ist – als Curvy Model mit allen Rundungen. Und strahlt dabei jede Menge Lebensfreude aus.
Das war nicht immer so. Früher war sie mal extrem durchtrainiert. Ihr damaliger Körper: kaum mit ihrem heutigen zu vergleichen. Ein Glück, findet Carina Møller-Mikkelsen. Warum die Ex-Bodybuilderin heute viel lieber ihre Kurven statt Muskeln zeigt, hat sie im Interview mit BILD der FRAU verraten.
Ex-Bodybuilderin präsentiert heute lieber Kurven statt Muskeln
BILD der FRAU: Liebe Carina, warum hast du damals mit dem Bodybuilding angefangen – einer nicht ganz alltäglichen Freizeitbeschäftigung?
Carina Møller-Mikkelsen: Im Teenager-Alter dachte ich, ich sei nicht schön und gut genug: Überall war dieses klassische Schönheitsideal in den Medien zu sehen – schlanke Frauen und dieses Thigh Gap, dieses Loch zwischen den Beinen. Ich dachte, ich bin nur schön, wenn ich schlank bin. Und weil ich ja die einzige Person bin, die daran irgendwas ändern kann, wenn ich unglücklich bin, habe ich mich damals im Fitnessstudio angemeldet. Ich habe dann erst mal Zumba und so was ausprobiert. Aber diese ganzen Kurse habe ich überhaupt nicht auf die Kette bekommen, weil ich einfach so eine Bewegungslegasthenikerin bin.
Eine Treppe höher war der Freihantel-Bereich. Dort habe ich angefangen und gemerkt, dass mir dieses "stumpfe Pumpen" total Spaß macht. Es war schnell klar: Das Training bringt mich voran, aber wenn ich nicht noch die Ernährung anpasse, tut sich nicht viel mehr.
Ich war leider schon immer eine Süßigkeitenliebhaberin und habe ein Ziel gebraucht, um morgens nicht das Nutella-Toast zu essen. Da bin ich dann tatsächlich bei der Internet-Recherche auf die Bikini-Klasse im Bodybuilding-Bereich gekommen und dachte so: Cool, das wär ja mal was für mich, um das als Ziel für den Tag X festzuhalten und Training und Ernährung durchzuziehen.
Daraufhin habe ich mir eine Trainerin gesucht – und gefunden. Sie hat mir versprochen, dass sie mich für diese Figurklasse vorbereitet, weil ich ein etwas breiteres Becken, einen größeren Po und schon ein bisschen mehr Muskeln hatte. Also habe ich Anfang 2014 mit meiner Trainerin begonnen und war Ende 2014 das erste Mal auf der Bodybuilding-Bühne.
Wie alt warst du da?
Da muss ich so 18 oder 19 gewesen sein.
Also ein knappes Jahr intensives Training, ein wenig war vorher schon da: Das hört sich so an, als wäre das recht schnell gegangen...
Ja, natürlich war ich da noch nicht so krass durchtrainiert, aber es war für mich der erste Startschuss, um damit anzufangen. Und so bin ich auch immer weiter in diese Bodybuilding-Blase gerutscht.
Frauen mit Muskeln: nicht gerade das gängige Schönheitsideal
Du warst vor dem Bodybuilding nicht glücklich mit der eigenen Figur: War das damals schon von Social Media geprägt?
Damals habe ich quasi parallel mit Social Media angefangen. Ich hatte zwar schon Instagram, war aber nicht wirklich aktiv. Das war ja damals auch noch nicht so verbreitet. Meinen sportlichen Werdegang habe ich dann aber immer mehr auf Instagram geteilt – so ist Social Media mit meinem Bodybuilding gleichsam mitgewachsen.
Hast du dich denn dann in deiner Haut wohlgefühlt? Mit all den Muskeln?
Klar, in erster Linie hat es mir natürlich was gebracht, weil ich dadurch merken durfte, dass es nicht nur schwarz-weiß gibt: Es gibt nicht nur schlank als Schönheitsideal, ich kann mein eigenes Schönheitsideal sein. Gerade Frauen mit Muskeln sind ja nicht so gängig und werden nicht gerade von vielen gefeiert, ganz im Gegenteil. Aber mir hat das Spaß gebracht. Ich habe gemerkt: Wenn ich an etwas Freude hab, dann ziehe ich das durch – egal, was andere gut oder schlecht finden. Das war eines der großen positiven Learnings für mich.
Wie hast du es geschafft, dich so zu konditionieren?
Ich hatte mir selbst ein Ziel gesetzt. Das hat mir persönlich sehr geholfen, es einfach durchzuziehen. Irgendwann kam der Punkt, da habe ich den Kopf ausgeschaltet und einfach gemacht. Gerade in dem Bereich ist es ja so: Man hat seine Trainings- und Ernährungspläne, daran hält man sich. Ich war wie so ein Roboter, habe nur ausgeführt und gemacht – was mir später so ein bisschen zum Verhängnis wurde, denn so habe ich komplett das Körpergefühl verloren. Also dadurch, dass ich immer mein Essen abgewogen habe, grammgenau, morgens gibt es dies und mittags das, habe ich meinen Körper gar nicht mehr gespürt, wusste nicht mehr, ob ich eigentlich Hunger habe oder satt bin.
Wenig essen, ab und zu Cheat Days: der Beginn einer Ess-Störung
Das Problem war, dass ich immer wieder Cheat Days gemacht habe, an denen ich nicht nur einen Schokoriegel oder eine Pizza gegessen habe, sondern eine ganze Schokoriegel-Packung in mich reingestopft habe, dann die nächste und dann noch 'ne Riesenpizza. Ich war wie ein schwarzes Loch ohne Körper- und Sättigungsgefühl, konnte wie gefühlt zehn große Männer essen. Bis mir mein Körper signalisiert hat: Jetzt reicht's!
Dann habe ich oft Bauchschmerzen bekommen oder mir den Finger in den Hals gesteckt, weil ich mich schlecht und vollgefressen gefühlt habe. Das ging einige Zeit so weiter: unter der Woche clean essen, hin und wieder Cheat Days, die komplett eskaliert sind. Irgendwann kam für mich der Punkt, an dem ich dachte: Ich habe doch eigentlich mit dem Sport angefangen, weil ich mich wohlfühlen wollte in und mit meinem Körper.
Stattdessen bin ich so weit in dieser Blase und diesem Thema drin, dass genau das Gegenteil passiert. Jetzt dreht sich rund um die Uhr alles darum: War ich beim Training? Habe ich alles eingehalten? Habe ich zugenommen? Habe ich abgenommen? Habe ich mich an meinen Ernährungsplan gehalten? Es war wie ein mentales Gefängnis für mich, in dem ich mich selbst so sehr unter Druck gesetzt habe und das Gefühl hatte, wenn ich einen Schokoriegel nur angucke, nehme ich schon zu. Es hatte sich bereits in die Richtung einer Essstörung entwickelt.
Es war so ungefähr Ende 2017, dass ich merkte: Ich will das nicht mehr. Von heute auf morgen lassen sich all die Gewohnheiten, das ganze Mindset aber nicht einfach wieder abstellen. Doch ich wusste: Ich will und möchte was verändern – und habe langsam damit angefangen. So habe ich etwa bei der Ernährung nicht mehr alles haargenau abgewogen, sondern nur noch die Sachen, bei denen ich mich total unsicher fühlte. Je mehr ich von diesem strikten Plan und dem ganzen Abwiegen nach und nach immer mehr losgelassen habe, desto besser ging's mir. Nach einigen Monaten ging die Küchenwaage kaputt. Da dachte ich: Okay, das ist jetzt das Zeichen für mich, dieses Ding einfach komplett wegzuschmeißen und nur noch auf meinen Körper zu hören, das zu essen , was er braucht und dann aufzuhören, wenn ich mich satt fühle.
Das war dann quasi die Wende.
Brust-OP half bei der Neu-Sortierung
Es war also ein schleichender Prozess, nicht der eine bestimmte Tag oder Punkt?
Es gab jetzt nicht diesen einen Tag, an dem ich mir das so bewusst gemacht habe. Aber ein prägender Moment war, dass ich Ende 2017 meine Brust-OP hatte. Von Natur aus hatte ich nie viel Oberweite, durch den Sport trainiert man sich das sowieso alles weg, weil man so einen niedrigen Körperfettanteil hat – die Brust besteht aber aus Fettgewebe. In der Bodbuilding-Szene war das teilweise gang und gäbe, dass die Frauen gemachte Brüste haben. Für die Optik, um zu gewinnen und dabei zu sein, war es also schon so ein indirektes Muss.
Ich hatte jetzt nicht so ein krasses Problem mit meiner Oberweite, aber die Zeit nach der OP, in der ich ja nicht einfach so weitermachen konnte, hatte ich nochmal mehr die Möglichkeit, loszulassen, mich neu zu sortieren und alles anders anzugehen.
Wie hat deine Umwelt reagiert?
Beim Bodybuilding hat meine Familie das nicht geglaubt, dass ich das schaffe. Aber nachdem ich das erste Mal auf einer Wettkampfbühne stand, hatte ich mein Umfeld davon überzeugt – wobei sich einige auch abgewendet haben, weil sie kein Verständnis dafür hatten.
Als dann der Wandel kam zu dem, wie ich heute bin, habe ich von meinem engeren Umfeld viel positive Rückmeldung erhalten.
Mehr Kilos auf den Rippen: na und? Die mentale Freiheit ist so viel wichtiger
Die körperliche, aber auch mentale Veränderung hast du dann recht schnell auf Instagram gepostet. Warum wolltest du das allen zeigen?
Damals war ich auf Instagram ja diese krasse, durchtrainierte Athletin, habe meine Community aufgebaut und erste Sponsoren gefunden. Das wollten die Leute sehen. Aber ich habe schon zeitgleich gemerkt: Warum spricht eigentlich niemand über die Schattenseiten, was einen wirklich bewegt? Das hat mir gefehlt, auch der ehrliche Austausch. Gerade, was das Thema Essen angeht.
Das hat mich dazu bewegt damit anzufangen, auch die negativen Seiten zu zeigen und darüber zu berichten. Wenn ich es schaffe, nur einen Menschen damit zu erreichen und ihm das Gefühl zu geben, damit nicht allein zu sein, war es das schon wert.
Zur Zeit des Wandels war das schon schwierig, die Leute wollen ja die durchtrainierte fitte Frau sehen, die sich an alles hält – und plötzlich war ich die fette, faule, undisziplinierte für alle. Das haben sie mich auch wissen lassen in Kommentaren und Direktnachrichten. Das kam in einer Zeit, in der ich selbst ja auch überhaupt nicht gefestigt war, wo ich noch nicht so richtig wusste, wo ich hin will. Wenn man so etwas dann so oft zu hören kriegt, fragt man sich schon: Haben diese Leute recht?
Ich habe mich dann irgendwann gefragt: Bin ich glücklich so, wie es jetzt ist? Und das konnte ich mit "ja" beantworten. Natürlich hatte ich ein bisschen zugenommen, aber ich hatte meine mentale Freiheit zurückgewonnen, die ich mir für kein Kilo weniger wieder wegnehmen lassen wollte. Deswegen war mir das irgendwann egal, was die anderen sagen.
Oft wissen Leute nicht, was sie mit einem Kommentar wie "Fleischberg" anrichten
Kannst du heute mit dem Thema "Bodyshaming" also recht gelassen umgehen?
Ein Beispiel: Ein Beitrag auf Tiktok von mir, da hab ich ein Video von mir gepostet, wie ich auf Madeira am Strand war. Die Kommentare dazu sind wirklich unterirdisch, jegliche Beleidigungen in Richtung Bodyshaming. Ich für mich kann da mittlerweile drüberstehen, aber mir ist es wichtig, diese Themen bei Social Media zu platzieren, weil ich immer wieder merke: Es wird viel zu wenig darüber aufgeklärt, was diese Worte bewirken können. Die Leute sind sich dessen nicht bewusst und zeigen auch keine Einsicht.
Wenn man jemanden als Fleischberg bezeichnet, ist das eben nicht mehr die eigene Meinung, sondern Bodyshaming und Hate. Darüber muss man aufklären, weil gerade so viele junge Menschen da eben noch nicht drüberstehen. Ich hatte eine Bekannte, die sich aufgrund dessen in den Tod gehungert hat. Das ist furchtbar, deswegen ist es mir ein riesiges Anliegen, über solche Dinge zu sprechen, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, gegen Windmühlen zu kämpfen.
Aber du kriegst ja hoffentlich auch ganz viel zurück und eine Menge Zuspruch, oder?
Absolut. Ich bekomme auch ganz viele positive Kommentare. Gerade Frauen schreiben mir immer mal wieder, dass ihnen meine Beiträge weiterhelfen und sie sich zum ersten Mal in einem anderen Licht sehen und sich wertschätzen. Es bewirkt Positives, das finde ich total schön zu wissen.
Wie ist es heute?
Sehr,sehr gut. Ich habe ein bisschen mehr auf den Rippen, aber das stört mich gar nicht. Das, was ich früher an mir doof fand, das sind Sachen, die ich heute sehr schön finde und lieben gelernt habe. Ich habe verstanden, dass man nicht jeden Zentimeter seines Körpers lieben muss, aber dass Selbst- und Körperakzeptanz ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung sind. Wir sind viel mehr als unsere Optik! Sich das klar zu machen, bedeutet so viel mehr Freiheit zu haben, auch die bereits angesprochene mentale Freiheit. Ich verspüre viel mehr Lebensfreude, kann essen, was ich will und arbeite nicht mehr gegen, sondern mit meinem Körper. Das ist eine sehr schöne Sache!
Sport? Immer noch gerne, aber nur, wenn es Freude macht
Was ist heute deine Einschätzung rückblickend? Wärst du so weit ohne deine Erfahrung?
Davon bin ich ziemlich überzeugt. Das klingt immer so klischeehaft, aber das hat mich schon zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich habe mich so viel mit meinem Körper auseinandergesetzt, hatte positive und negative Erlebnisse – die machen mich zu dem, wie ich heute bin, was ich denke und fühle.
Wie hältst du es heute mit Essen und Sport?
Ich mache Sport so, dass es mir Spaß bringt. Aber ich merke schon, vor allem weil ich von zu Hause arbeite, dass mein Körper Bewegung braucht. Sport bedeutet ja auch nicht nur, sich in ein Fitnessstudio zu zwingen, sondern man kann ja alles mögliche ausprobieren, was einem Freude macht. Manchmal gehe ich reiten, dann habe ich Krav Maga gemacht, manchmal mache ich Yoga.
Bei der Ernährung ist das dasselbe: Ich weiß von früher, was mein Körper braucht und ihm guttut. Aber wenn ich einen Schokoriegel essen will, dann esse ich einen. Heute kann ich das aber eben in Maßen genießen.
Das heißt, du hast heute auch zurück zu deinem Körpergefühl gefunden?
Absolut.
Was willst du anderen Leuten mitgeben?
Mein bester Tipp ist: Gönn Dir aktive Zeit für Dich selbst, mach das Handy und den Computer aus, geh allein spazieren, stell Dir mal so ein paar grundlegende Fragen, ob Du glücklich bist, was Dich noch glücklich machen könnte, was nicht so gut läuft und wie Du diese Dinge ändern kannst. Wenn man sich diese Fragen regelmäßig ehrlich selbst beantwortet und sich damit auseinandersetzt, dann kann man sehr weit kommen, weil man sich selbst, gewisse Reaktionen und manche Dinge aus dem Alltag viel besser versteht. Das kann auch mal unangenehm sein, aber es wird danach besser!
→ Hier geht's zur Webseite und dem Online-Shop von Carina Møller-Mikkelsen.
Kennst du die Geschichte von Kerstin Saak? Sie befand sich im üblichen Teufelskreis: zu viel Übergewicht, aber keine Diät, nichts hilft... Wie sie es dann doch geschafft hat, 74 kg in 10 Monaten abzunehmen.