Was unterscheidet treue Männer von untreuen?

Nicht alle Männer gehen fremd – aber wenn sie es tun, ist Sex dann der vorherrschende Grund? Oder was lässt einen Mann untreu werden? Die Inhaberin der Agentur "Die Treuetester" hat mit BILD der FRAU darüber gesprochen.
Ein Drittel aller Deutschen in einer festen Beziehung geht fremd. Im Gegensatz zu Frauen, deren Hauptgrund für Untreue Unglücklichsein innerhalb der Partnerschaft ist, suchen Männer noch immer in erster Linie nach Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse. Aber das muss nicht der Hauptgrund sein: Wann ein Mann treu ist und wann nicht, hat mindestens eine Erklärung, mit der die wenigsten Frauen rechnen, wie BILD der FRAU im Gespräch mit Therese Kersten, Inhaberin der Agentur "Die Treuetester", erfuhr.
"Treue ist kein Schwarz-Weiß-Denken": Interview mit Therese Kersten von der Agentur "Die Treuetester"

BILD der FRAU: Liebe Frau Kersten, in Ihrer Agentur beschäftigen Sie über 3000 sogenannter Treuetester in ganz Europa. Wo fängt eigentlich Untreue an?
Therese Kersten: Untreue definiert jeder anders. Für die einen ist es schon zu viel, wenn der Partner die Handynummer austauscht oder sogar nur mit einer anderen Frau redet. Für andere ist die rote Linie erst überschritten, wenn der Partner mit anderen Menschen sexuell aktiv ist.
Wie definieren Sie selbst Treue?
Für mich persönlich ist Treue kein Schwarz-Weiß-Denken. Wenn mein Partner eine andere Frau küsst, ist er untreu? Ja, vermutlich ist er dann untreu. Das heißt für mich aber nicht, dass ich mich sofort trennen würde. Es spielen so viele Komponenten eine Rolle: War es einmalig oder mehrfach? War er nur mit einer Person oder mehreren? Sind Gefühle im Spiel? Was hat dazu geführt?
Wie unterscheiden sich Männer und Frauen beim Fremdgehen?
Grundsätzlich gehen mehr Männer fremd. Allerdings: Im Alter von 30 bis 39 sind es die Frauen, die häufiger fremdgehen. Sie gehen auch eher aus emotionalen Beweggründen fremd, weil sie unglücklich in der Partnerschaft sind, zu wenig Zuwendung bekommen oder sich fremdverlieben. Männer gehen häufiger aus sexuellen Gründen fremd, wie der Reiz des Neuen, sexuelle Anziehung und die spontane Gelegenheit. Frauen betrügen oft einmalig, in Summe dafür häufiger, und Männer gehen mehrfach mit verschiedenen Personen fremd.
Nach Schwangerschaft ist eine Beziehung besonders gefährdet
Gibt es einen Zeitraum, wann die meisten untreu werden? Was ist mit dem verflixten siebten Jahr – ein Klischee?
Ich persönlich glaube nicht an das verflixte siebte Jahr. Denn Alltagstrott oder dass es auch mal langweilig in der Beziehung ist und auch sein darf, kann auch früher eintreten. Es gibt Menschen, die gehen am Anfang der Beziehung fremd, weil es für sie noch nichts Festes ist, und andere dann, wenn es vielleicht nach einigen Jahren ruhiger geworden ist. Nach Schwangerschaften könnte ein fragiler Zeitraum sein, weil viele Frauen dann einfach nicht mehr wollen. Da ist es wichtig, für die Partnerschaft eine beidseitige Lösung zu finden.
Was suchen wir eigentlich beim Fremdgehen?
Vermutlich genau das, was wir in der aktuellen Beziehung nicht (mehr) bekommen, weil es mit der Zeit vielleicht verloren gegangen ist: Bewunderung, Zuwendung, aber auch die Befriedigung sexueller Bedürfnisse, wenn diese in der Beziehung nicht (mehr) erfüllt werden.
Reicht nicht schon unser Bauchgefühl? Warum brauchen wir überhaupt einen Treuetest?
Ja, das Bauchgefühl ist ein sehr gutes Anzeichen und in der Regel kann man sich darauf auch verlassen. Aber manchmal braucht es Beweise, um eine endgültige Entscheidung treffen zu können: für oder gegen die Beziehung. Ein Treuetest kann auch die notwendige Sicherheit geben, die es braucht, um wieder nach vorne zu sehen in der Beziehung. Vielleicht weil der Partner schon einmal fremdgegangen ist und man wissen will, ob er es wieder tun würde.
Lässt sich Untreue provozieren?
Was, wenn einem bisher treuen Mann eine attraktive Treuetesterin geschickt und somit die Gelegenheit erst geschaffen wird?
Nach dem Motto: Gelegenheit macht Liebe? Mir ist es wichtig, dass wir niemanden zum Fremdgehen überreden und die Situationen so realistisch wie möglich sind. Das heißt zum Beispiel, dass wir manchem älteren Mann keine sehr junge, super attraktive Frau schicken. Das wirkt suspekt, weil sie ihn außerhalb der Testsituation nie angesprochen hätte.
Was unterscheidet treue Männer von untreuen?
Ich vermute, dass Kommunikation ein Schlüssel ist. Kommunikation ist für mich das A und O in einer Beziehung. Sie sollte Raum bieten, offen und ehrlich Bedürfnisse anzusprechen, auch sexuelle Bedürfnisse. Viele Männer trauen sich nicht, mit ihrer Partnerin über ihre sexuellen Vorlieben zu sprechen, geschweige denn sie auszuleben – aus Angst, bewertet zu werden oder als pervers zu gelten. Jeder siebte Mann lebt seine sexuellen Fantasien woanders aus. Neben einer guten Kommunikation sind es die alltäglichen Momente; zum Beispiel ein einfaches "Wie geht es dir?", Aufmerksamkeit dem Partner gegenüber. Diese darf im Alltag auch gepflegt werden.
Wie sieht so ein Treuetest eigentlich aus?
Wir bieten verschiedene Testvarianten an, vom SMS/WhatsApp-, Telefon-, Email-, Kombi- und Chat-Test bis hin zu einem persönlichen Treffen. Darüber hinaus bieten wir auch Spermaspurentests an.
Warum ein Treuetest die Beziehung retten kann
Ist ein Treuetest nicht schon ein Eingeständnis, dass unsere Beziehung am Ende ist?
Das sehe ich nicht so. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, in der das Motto oft lautet „Wenn du deinem Partner nicht vertraust, dann macht die Beziehung keinen Sinn mehr“. Es gibt Phasen in einer Beziehung, wo nicht immer alles rosig ist. Das kennt jeder von uns. Und jeder hat vielleicht schon einmal daran gezweifelt, ob der Partner wirklich treu ist. Wenn ein Treuetest das Bauchgefühl bestätigt hat, kann das auch eine Chance auf einen Neuanfang sein, wenn beide bereit sind, aus dieser Erfahrung zu lernen.
Wann hat die Beziehung eine Chance, so einen Vertrauensbruch verarbeiten zu können?
Wenn beide Seiten gewillt sind, die Beziehung weiterzuführen, und in erster Linie an sich und für eine gesunde Beziehung arbeiten. Von der Vorstellung, dass es ein Opfer und einen Täter gibt, sollte Abstand genommen werden, da es der Beziehung gar nicht hilft. Es gibt nicht den einen Schuldigen, der ab nun alles für die Beziehung tun muss, bestimmte Erwartungen erfüllen und sich aus Liebe zum Partner ändern soll. Es braucht viel Zeit, beidseitiges Verständnis und eine offene und ehrliche Kommunikation ohne Täter-Opfer-Theorie.
Was können wir lernen, wenn der Treuetest ergibt, dass der Partner nicht fremdgeht?
Dann muss man sich die Fragen stellen: Weshalb zweifele ich an der Treue? Was spricht objektiv gesehen für die Zweifel? Bin ich es, die zweifelt oder redet mir vielleicht sogar jemand anderes diese Zweifel ein? Habe ich vielleicht Verlustängste und zweifele deshalb sowieso immer? Das Vertrauen ist hierbei ein Hauptpunkt.
Und wenn ein Treuetest die Zweifel nicht beseitigen kann?
Ich kenne ja meistens nur eine Seite der Geschichte und auch nur ein Fenster von einem Haus. Manche Kund*innen kommen immer wieder, testen dreimal, viermal. Wenn die Signale des Partners derart fehlgedeutet werden und nach mehrmaligem Test ganz klar herauskommt, dass Untreue nicht das Problem ist, darf man sich natürlich Gedanken machen, ob die Vertrauensbasis intakt ist.
- Viele haben ihn, diesen Drang nach Gewissheit: Wann wird ein Treuetest gefährlich? Das erklärt uns unser Experte, Paartherapeut Eric Hegmann.
- Und auch die Zuneigung kann überprüft werden. Aber: Ob ein Liebestest bei der Frage "gehen oder bleiben" wirklich hilft...?
- Übrigens: von wegen harmonische Paare sind außen vor... Untreue in Beziehungen: Nicht nur unglückliche sind betroffen.
- Wenn es dann doch einmal schon dazu gekommen ist, stellt sich schnell die Frage, ob es immer sinnvoll ist, einen Seitensprung zu beichten.