Achtung, Vertrauensbruch

Drang nach Gewissheit: Wann wird ein Treuetest gefährlich?

Älteres Paar, das im Bett sitzt und sich unterhält. Beide Personen haben ernsthafte oder nachdenkliche Ausdrücke. Die Frau sitzt mit einer Hand unter dem Kinn, während sie dem Mann zuhört, der gestikuliert und spricht.
© Getty Images / yacobchuk
Du glaubst, dein*e Liebste*r betrügt dich? Jetzt willst du Gewissheit haben – aber ist ein Treuetest das geeignete Mittel, um das herauszufinden?

Wer sich der Treue seiner Partnerin oder seines Partners nicht mehr sicher ist, greift im Zweifelsfall zu Mitteln wie einem Treuetest. Aber ist es sinnvoll, einem vermeintlichen Vertrauensbruch mit einem ebensolchen zu begegnen? BILD der FRAU hat bei einem Experten nachgefragt.

Am Anfang ist es vielleicht nur ein leiser Zweifel, eine Äußerung, ein merkwürdiger Moment. Schnell kann sich ein solcher Verdacht ausweiten – begründet oder nicht – und eine Beziehung in eine tiefe Krise stürzen. Betrügt mich meine Partnerin oder mein Partner etwa? Viele Betroffene wollen dann Klarheit – und sei es in Form eines Treuetests. Einen solchen bieten mittlerweile viele Online-Plattformen an – und werben mit Sprüchen wie "Mach unseren kostenlosen Treuetest und erfahre, ob er dich wirklich betrügt!"

No-Gos in einer Beziehung

Paarberater und Parship-Coach Eric Hegmann kennt solcherlei Sorgen und Ängste aus seiner beruflichen Erfahrung. Mit BILD der FRAU hat der Experte, der in seiner Modern Love School viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen anbietet, über die Problematik von Treuetests gesprochen – und welches Verhalten bei einem begründeten Verdacht sinnvoll ist.

Wie sinnvoll sind Treuetests? Das sagt der Experte

Lieber Herr Hegmann, wie gut können (Online)-Treuetests sein?

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

Das Bedürfnis nach Sicherheit ist menschlich. Wer sich in seiner Beziehung geborgen und angekommen fühlt, möchte, dass dies so bleibt. Statistisch haben – je nach Umfrage – zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Deutschen schon einmal eine*n Beziehungspartner*in betrogen, die Sorge ist also durchaus berechtigt, dass sich dier Partenerin oder der Partner sexuelle Wünsche oder Fantasien außerhalb der Partnerschaft erfüllen könnte.

Der Wunsch nach einem Treuetest ist daher durchaus nachvollziehbar, allerdings empfehle ich als ersten Schritt bei einem Verdacht das persönliche Gespräch, denn auch ein Treuetest kann ja einen Vertrauensbruch darstellen.

Die Treue ermitteln zu lassen – was halten Sie davon?

Ich bin mir nicht sicher, ob eine Beziehung, in der eine derartige Überwachungsdynamik eingezogen ist, überhaupt noch zu retten ist. Die Grundlage des Vertrauens ist da ja offensichtlich bereits verloren gegangen. Einige Treueagenturen schicken ja beispielsweise Lockvögel vor, um zu testen, wie weit die/der zu überwachende Partner*in Versuchungen widerstehen kann.

Das halte ich für keine sinnvolle Maßnahme. Auch weil ich aus Erfahrung weiß, dass Paare einander einen einmaligen Seitensprung aus einer Gelegenheit heraus sogar sehr häufig verzeihen können, weil der sich nicht so bedrohlich anfühlt wie eine Affäre, die über einen längeren Zeitraum lief und nur durch Lügen und Betrug aufrecht erhalten werden konnte. Affären beginnen beispielsweise sehr häufig mit Arbeitskolleg*innen, weil sich über längere Zeit der Zusammenarbeit eine exklusive Vertrauensbasis entwickeln kann, die dann in Konkurrenz zur Beziehung tritt.

Ein einmaliger Seitensprung aus Gelegenheit ist dagegen also eher fahrlässig als vorsätzlich und wenn er provoziert wird, auch aus Erfahrung gesehen weniger beziehungsrelevant. Grundsätzlich denke ich aber, dass eine Beziehung, in der ein Treuetest erforderlich scheint, ein derart großes Vertrauensproblem hat, dass ein Neustart der Partner*innen nötig ist – möglicherweise gemeinsam, möglicherweise aber auch getrennt.

Extreme Eifersucht kann erst recht zu einer Affäre führen

Wie gefährlich ist der Drang nach einem Treuetest?

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Schaut dein*e Partner*in wirklich viel häufiger auf sein Handy? Sprich sie oder ihn darauf an, ohne gleich einen Vorwurf daraus zu machen.

Eifersucht an sich ist ein Zeichen von Verlustangst, wie sie jeder in einer Beziehung kennt. Die Ausprägung macht den Unterschied. Es ist ganz normal, dass man für die/den Partner*in die Priorität und nicht eine Option sein möchte. Und wenn sie oder er plötzlich Verhaltensweisen verändert, etwa dass das Smartphone nicht mehr aus der Hand gelegt und mit neuen Sicherheitsmaßnahmen abgesperrt wird oder sie/er sich in eine sportliche Person verwandelt, aber die/der andere zu Hause davon ausgeschlossen wird, dann ist Misstrauen vielleicht berechtigt. Und natürlich ist es naiv zu glauben, dass jede*r ertappte Partner*in eine Affäre sofort zugeben würde.

Dennoch bin ich überzeugt, dass Aussprache und ehrliches Interesse am Gegenüber der bessere Umgang mit einem solchen Verdacht ist als jeder Treuetest. Denn das erlebe ich in der Paarberatung häufig: Extreme Eifersucht und Verlustangst treiben Partner*innen erst recht in die Arme einer Affäre.

Ist ein Treuetest nicht meist ein Symptom für eine bereits vorhandene Schieflage?

Nicht unbedingt. Es ist gut möglich, dass die Eifersucht unbegründet ist und auf dem eigenen verletzten Selbstwert basiert, beispielsweise weil die Person in einer früheren Beziehung betrogen wurde und das Misstrauen nun eine Art Schutzstrategie gegen eine erneute Verletzung ist. Natürlich betrifft das die Beziehung, aber es ist vor allem eine unaufgearbeitete Erfahrung, die letztlich in der Verantwortung der/des Betroffenen liegt. Ohne Vertrauen ist eine Beziehung nun einmal nicht möglich – wer das nicht kann, muss sich im Ernstfall um eine traumatherapeutische Unterstützung bemühen.

Aber natürlich kann das Misstrauen auch berechtigt sein. Ein*e Partner*in, die/der über einen längeren Zeitraum eine Affäre verheimlicht, ist auch in anderen Bereichen nicht ehrlich und nicht zuverlässig. Es ist sehr selten, dass eine Person, die mit Untreuevorwürfen konfrontiert wird, ihre Fassade lange aufrecht erhalten kann.

Unehrliche Partner*innen gehen bei einer Konfrontation oft in den Angriff über

Was raten Sie Zweifler*innen?

Immer zuerst die Aussprache. "Ich fühle mich nicht mehr sicher in unserer Beziehung. Ich habe den Eindruck, etwas bedroht mich und ich fühle unsere Bindung weniger stark als früher." Ein*e ehrliche*r Partner*in wird fragen, was sie oder er tun kann, um die Partnerschaft zu festigen. Eine unehrliche Person wird in den Angriff oder in die Verteidigung gehen.

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Wie kann ich für mich (seriös) prüfen, ob mein*e Partner*in treu ist?

Trägt die Partnerin oder der Partner das Handy plötzlich ständig bei sich, schaut sie oder er immer wieder drauf und sichert es plötzlich mit einem Pin, sollte man aufmerksam werden – vor allem, wenn dieses Verhalten vorher noch nicht gezeigt wurde. Auch wenn das Gegenüber einen ertappten Eindruck macht, das Handy schnell weglegt oder rasch eine andere App anklickt, wenn man in die Nähe kommt, kann das ein Hinweis darauf sein, dass etwas zu verbergen versucht wird.

Wer seiner Partnerin oder seinem Partner gegenüber aufmerksam ist, bemerkt solche Veränderungen doch, werden viele jetzt denken. Oftmals finden aber ja Seitensprünge in den Beziehungen statt, in denen die nötige Aufmerksamkeit der/dem anderen gegenüber fehlt und das Interesse nachgelassen hat. In den meisten Fällen lassen sich verräterische Änderungen erkennen. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Partnerin/der Partner ahnt, dass sie oder er betrogen wird, es aber nicht wahrhaben möchte und die Warnzeichen unbewusst oder bewusst verdrängt, aus Furcht, die oder den anderen zu verlieren.

Entfremdung, unerfüllte Wünsche: Reden Sie über die Ursachen der Untreue

Was, wenn sich die Sorge als haltlos herausstellt: trotzdem mit der Partnerin oder dem Partner reden?

Aber ja. Wenn ich mit meiner Partnerin/meinem Partner nicht über meine Sorgen und Ängste sprechen kann, dann kann sie oder er sich auch nicht darauf einstellen und mich unterstützen. Ehrlichkeit bedeutet nicht nur, nichts Unwahres zu sagen, sondern auch, nichts Wichtiges wegzulassen.

Was, wenn die Sorge berechtigt war? Was ist der nächste Schritt?

Die Aussprache über die Gründe und was diese mit der Beziehung zu tun haben. In der Beratung erlebe ich, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob es sich um einen Seitensprung aus Gelegenheit oder um eine lange heimliche Affäre handelte. Untreue kann viele Ursachen haben, meist ist es eine Entfremdung der Partner*innen, die sich vielleicht als selbstverständlich nehmen, oder auch unerfüllte sexuelle Wünsche und Fantasien. Deshalb ist es so wichtig, dass Paare immer wieder über ihre Wünsche und Hoffnungen und auch Fantasien sprechen, denn nur wenn die Partner*innen diese kennen, können sie sie auch gemeinsam ausleben.

➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School – mit passenden Online-Kursen zum hier besprochenen Thema, etwa "Gehen oder bleiben? Woran du erkennst, ob die Beziehung am Ende ist".

Übrigens: Untreue kommt auch in glücklichen Beziehungen vor. Warum, erfährst du hier.

Bist du dir der Liebe deiner Partnerin bzw. deines Partners nicht sicher? Greife besser nicht zu Hilfsmitteln wie einem Treuetest. Vielleicht helfen dir einige unserer Tipps für eine glückliche Beziehung. Oder glimmt die Liebe nur noch vor sich hin? Die Liebe zur Partnerin oder zum Partner lässt sich auch wieder auffrischen.

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