Nach der Trennung nicht zerbrechen: Diese Strategien helfen wirklich

Sich nach einer schmerzhaften Trennung wieder um sich selbst zu kümmern, darüber hat Diane Hielscher ein Buch geschrieben. Was dabei das Wichtigste ist, erzählt sie BILD der FRAU im Interview.
Verlassen zu werden, plötzlich alleine auf sich gestellt zu sein: Oft ist das viel schwieriger als gedacht. Auch Diane Hielscher hat das so erlebt – und deshalb beschlossen, sich dem Thema zu stellen. Herausgekommen ist ein Buch, das Beziehungen und (vermeintliches) Liebesglück hinterfragt – aber auch die Personen, die es lesen. Und das darüber aufklärt, was jede*r einzelne tun kann, um mit sich selbst glücklich weiterleben zu können, damit es auch mit einer Beziehung klappen kann.
In "Liebe neu denken" ermuntert die Autorin dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen: "Wir selbst bestimmen, ob uns langweilig ist, ob wir uns streiten oder ob wir unzufrieden sind. Wir selbst entwickeln Denkmuster und Vorstellungen unserer Beziehungen – und diese können wir ändern," sagt Diane Hielscher. Mit BILD der FRAU hat sie noch viel mehr darüber gesprochen, wie sie "dem Geheimnis glücklicher Beziehungen auf der Spur" war, so der Untertitel ihres Buches.
Gedanken sind keine Wahrheit, wir können sie umformulieren: Diane Hielscher über ihr Buch "Liebe neu denken"

Diane Hielscher: Mein Schmerz war so groß – ich hatte Panikattacken, depressive Zustände, Angstzustände, Schlaflosigkeit, ich konnte nicht essen –, dass ich quasi keine andere Wahl hatte. Als Mutter von zwei kleinen Kindern konnte ich nicht einfach weinend auf dem Boden liegen, ich MUSSTE mich kümmern. Um die Kinder, aber auch um mich selbst – und ich habe mich deswegen gefragt:
Was kann ich tun, damit dieser Schmerz aufhört, damit ich einkaufen gehen und Essen machen kann? Was muss passieren, damit ich wieder schlafen und essen kann? Was kann ich selbst für mich tun? Und dann habe ich einfach alles mögliche ausprobiert: meditieren, Tagebuch schreiben, viel Reflektion, ich habe mich gefragt: Wie will ich eigentlich leben? Was ist mir wichtig? Ich habe gemalt, Yoga und Fitness-Boxen gemacht, bin feiern gegangen.
Sie schreiben: "Wir sind unseren Gedanken und unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert." Was sind Ihre Strategien in verzweifelten Momenten voller Liebeskummer?
Allein diese Erkenntnis war der erste Schritt: Ich BIN nicht meine Gefühle und meine Gedanken. Ich habe die Fähigkeit, über meine Gedanken nachzudenken, das nennt man Metakognition. Das heißt, wir können im ersten Schritt unsere Gedanken erstmal anschauen: Was denke ich eigentlich den ganzen Tag? Und dann können wir uns von unseren Gedanken defusionieren, also Abstand von unseren Gedanken nehmen.
Der Gedanke "ich bin hässlich" ist keine Wahrheit, sondern nur ein Gedanke, wir können ihn umformulieren und denken: "Ich habe den Gedanken, hässlich zu sein." Und plötzlich ist der Gedanke nicht mehr meine Wahrheit, an die ich glaube, sondern einfach ein Gedanke von vielen – und das muss nicht zwingend wahr sein. Um unser Gehirn in diese Richtung zu trainieren, empfehle ich ganz klar: meditieren und Tagebuch schreiben.
Sie fragen sich, wie die Wissenschaft dabei helfen kann, eine glückliche Liebende statt eine verzweifelt Brauchende zu sein. Haben Sie eine Antwort bekommen?
Ja, Verantwortung übernehmen: für meine Gefühle, meine Gedanken und meine Taten. Der Satz "Du hast mein Leben zerstört!" ist das genaue Gegenteil von Verantwortung. Niemand kann unser Leben zerstören, wenn wir ihm nicht die Erlaubnis dazu geben. Wir denken unsere Gedanken, wir können unser Bewusstsein ordnen und damit auch jeden Tag mehr die Gefühle fühlen, die wir fühlen wollen. Allerdings ist das Training und Arbeit. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber die Erkenntnisse aus der Psychologie, Philosophie, Neurologie und Linguistik haben mir sehr dabei geholfen!
Wir gehen zu oft davon aus, die Antworten der Partnerin / des Partners bereits zu kennen
Sie sagen, Menschen versuchen, die Welt um sich herum nach der eigenen privaten Logik zu formen. Das sei aber mühsam und sinnlos – was genau können wir da in Bezug auf unser Liebesleben ändern? Und was bringt das?
Wir müssen zunächst einmal feststellen, dass wir in unserer eigenen privaten Logik leben – die meisten denken nämlich, sie würden die Wahrheit kennen: die einzige Wahrheit! Aber die gibt es nicht. Alles, was unser Partner sagt, tut, fühlt und denkt, alles, was wir sagen, fühlen und denken, hat seine eigene Logik. Wir können unsere Logik in Frage stellen: Ist es wirklich, wie ich denke?
Vielleicht ist es anders. Wir können flexibler denken, gelassener werden (auch durch Meditation!), wir können uns in Frage stellen, wir können unsere Partner öfter mal was fragen, anstatt davon auszugehen, ihre Antworten bereits zu kennen. Wir können mit dem Anfängergeist unser Leben und unsere Beziehung neu entdecken, wir können Neues ausprobieren, Abenteuer erleben, Wunder wahr nehmen. Mit Achtsamkeit und Mut können wir mehr Lebendigkeit und Begeisterung in unser eigenes Leben bringen und damit auch in unsere Beziehungen.
Wie genau funktioniert das, das Gehirn dahingehend zu trainieren, glücklich zu sein? Wie kommt man dahin, nicht andere, v.a. Partner*innen, dafür verantwortlich zu machen?
Mit täglichem Training und Bewusstsein! Wenn wir die Verantwortung für unser eigenes Wohlbefinden übernehmen, stellen wir andere Fragen und tun andere Dinge, als wenn wir unseren Partner dafür verantwortlich machen. Die Frage ist nicht mehr "Warum schenkt mein Mann mir nicht mehr Beachtung?", sondern: "Was kann ich mir heute Gutes tun, um mir selbst Beachtung zu schenken?"
Was brauche ich im Leben? Was fehlt mir? Was will ich erleben, welche Gefühle will ich heute fühlen, wie kann ich selbst mein Leben lebendiger gestalten? Wie kann ich mir selbst zuhören, für mich da sein und mir Liebe schenken? Was begeistert mich? Nach welchen Werten will ich leben? Was habe ich heute gut gemacht? Worauf kann ich stolz sein?
Tagebuch schreiben, jeden Tag, ist das beste Tool dafür. Meditieren, Sport – egal, welchen! –, aber auch Planung: Wenn ich meinen Traum wahr werden lassen will, was kann ich jeden Tag dafür tun?
Menschen leben in Beziehungen hinein, als hätte ihr Partner das gleiche Paper gelesen wie sie, schreiben Sie in Ihrem Buch. Dabei gebe es ja nicht nur die eine Wahrheit. Wie schaffen wir es, eine Beziehung so zu führen, dass wir auch unser Gegenüber mit seiner eigenen Wahrheit voll und ganz akzeptieren?
Indem wir erstmal unsere eigene Wahrheit kennenlernen. Was sind eigentlich meine Glaubenssätze, nach denen ich handle? Habe ich Verlustangst? Bindungsangst? Will ich immer die Kontrolle haben? Kann ich nicht loslassen oder habe ich Angst vor Nähe und warum? Denke ich von mir selbst, nicht liebenswert zu sein? Bevor wir uns überhaupt mit der Wahrheit unseres Partners auseinandersetzen können, müssen wir uns erst mal selbst entdecken.
Dadurch werden wir gelassener, gewinnen tolle Erkenntnisse über unser Verhalten, unsere Reaktionen und unsere Ziele. Wozu tue ich all die vielen Dinge überhaupt, die ich tue? Je mehr wir uns selbst entdecken, desto einfacher können wir auch die Wahrheiten der Menschen in unserem Leben da sein lassen – denn wir werden auf dieser Reise lernen, uns und andere mit liebenden Augen zu sehen.
Hauptsache, nicht allein sein – wobei der Schmerz des Alleinseins möglicherweise weniger schlimm ist als die Angst davor: Wie können wir lernen, diese Angst zu überwinden?
Indem wir lernen, allein zu sein, indem wir es üben. Und Serien bingen oder bei Instagram abhängen, zählt nicht! Was können und wollen wir mit uns ganz allein tun? Welche Dinge machen mir eigentlich Spaß, wenn ich allein bin? Wie kann ich einen richtig guten Abend haben, ein Date mit mir selbst?
Ich zum Beispiel male allein, ich trinke Tee und schreibe Tagebuch, ich gehe auch mal mit mir essen oder zu einem Tanzkurs. Stellt euch doch mal die Frage: Wie kann ich mich selbst entdecken – mich und meine Bedürfnisse, wenn niemand dabei ist? Wer bin ich eigentlich, wenn ich keine Ehefrau, kein Partner, kein Sohn und keine Freundin bin? Wer bin eigentlich ICH und was mag ich?
Wir wollen uns nicht mit uns selbst auseinandersetzen
Warum leben wir gerade in Sachen Beziehung mit so viel Selbstbetrug?
Weil wir vor uns selbst weglaufen. Wir wollen uns nicht mit uns selbst auseinandersetzen, vielleicht weil wir gelernt haben, das sei narzisstisch – oder wir haben Angst davor. Sich seinen Gefühlen zu stelle,n kann nämlich weh tun. Einfach dazusitzen – es muss ja nicht mal meditieren sein! – und all seine Gedanken und Gefühle dasein zu lassen, ist das schwerste für uns. An jeder Ecke lauern Ablenkungen, wir greifen zum Smartphone, shoppen, sehen fern, trinken Alkohol, klicken uns sinnlos durch Webseiten – und alles nur, weil wir nicht gelernt haben, uns wahrzunehmen.
Wie können wir das ändern?
Ich nehme mir jeden Tag Zeit, um einen Check-in mit mir zu machen: Was brauche ich heute? Was kann ich mir geben? Was tut mir gut? Wer bin ich und was ist mir wichtig? Wir lassen uns oft von äußeren Umständen rumschubsen wie eine Kickerkugel, anstatt unser eigener Kompass zu sein. Jeden Tag 10 Minuten mit uns selbst verbringen, unsere Gefühle fühlen, Gedanken kommen und gehen lassen, aufschreiben, wie wir leben wollen – all das kann einen riesigen Unterschied machen!
Was ist Ihrer Meinung nach der größte Fehler, den die meisten Menschen in ihrer Beziehung begehen?
Der Gedanke: "Du musst mich glücklich machen, wozu brauche ich denn sonst eine Beziehung?" Wenn jede*r von uns selbst jeden Tag für das eigene Glück und Wohlbefinden sorgt, können wir den anderen einfach als Menschen lieben und nicht als Dienstleister*in wahrnehmen. Nicht als jemand, der etwas für uns tun muss, damit wir ihn lieben. Dann können wir fühlen: "Ich bin alleine ein kompletter Mensch, ich liebe mich und kümmere mich um mich und möchte mit Dir zusammen sein, weil Du Du bist!"
Dann muss der andere sich nicht auf eine bestimmte Art verhalten, so wie wir es wollen, sondern kann einfach existieren. Wir können dann aufhören, Kontrolle ausüben oder den anderen ändern zu wollen. Denn entweder wir lieben diese Person für das, was sie ist, oder wir trennen uns und werden sicher jemanden finden, den wir lieben können.
Was wollen Sie den Leser*innen als ultimativen Ratschlag in Liebesdingen mit auf den Weg geben?
Liebt euch selbst! Und das bedeutet nicht, sich jeden Tag schön, attraktiv, erfolgreich und perfekt zu finden! Im Gegenteil. Selbstliebe ist eine Tätigkeit, die manchmal anstrengend ist und Mut erfordert!
Selbstliebe bedeutet, für sich da zu sein, sich um sich zu kümmern, sein Leben so zu gestalten, dass es zu einem passt, sich zu fragen, ob man den richtigen Job macht, ob man nach seinen Werten lebt, sich selbst zuzuhören – und wenn es sein muss, auch für sich selbst zu kämpfen, für die eigenen Rechte und die eigenen Grenzen. Je mehr wir uns selbst lieben, desto mehr können wir andere lieben. Je mehr wir uns selbst Wertschätzung schenken, desto mehr können wir davon auch an unsere Partner und die ganze Welt geben.
Denn Liebe ist nicht nur eine Sache zwischen zwei Menschen.
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