Liebe auf den 2. oder 3. Blick

Trend Slow Dating: Sich Zeit lassen beim Kennenlernen

Ein älteres Paar mit Schürzen lächelt entspannt in einer hellen Küche und stößt mit Weißwein an, umgeben von frischen Zutaten.
© Adobe Stock / N Lawrenson/peopleimages.com
Sich langsam näherzukommen, etwa über gemeinsame Hobbys wie Kochen: keine schlechte Idee, oder?

Muss es denn in der Liebe immer schnell, schnell gehen? Warum nicht mal entschleunigen – und auf Slow Dating setzen? Das langsame Kennenlernen hat nämlich Vorteile, findet unser Beziehungsexperte. Lies mal, welche.

Hin und wieder entschleunigen tut gut, das wissen wir. Auch in der Liebe? Aber ja, auch da funktioniert das: Slow Dating ist das Zauberwort. Wer eine Partnerin oder einen Partner sucht, lässt es dabei langsamer und achtsamer angehen als sonst. Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Studienbegleiter, hat in Hamburg die Modern Love School gegründet, in der er Online-Kurse rund um Beziehungsthemen anbietet. Im Interview mit BILD der FRAU spricht er über den Trend des langsamen Kennenlernens, die Vorteile und Unterschiede zur schnelleren Variante.

Slow Dating: So entschleunigst du beim Kennenlernen

Slow Dating: Qualität vor Quantität

BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, was genau versteht man unter Slow Dating?

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

Eric Hegmann: Slow Dating beschreibt zunächst ein langsames Kennenlernen im Vergleich zum oft stressig erlebten Dating, das sich durch viele kurze Kontakte auszeichnet. Qualität vor Quantität, könnte man sagen. Zum Slow Dating gehört für viele Singles auch der Verzicht auf parallele Kontakte zugunsten eines dafür intensiveren Kontaktes, der dann auch wirklich gepflegt wird.

Slow Dating ist die Gegenbewegung zum erschöpfenden Verabredungs-Marathon, der immer wieder zu Frust und Stress führt, von manchen Singles auch als Dating-Burn-out bezeichnet.

Die Corona-Krise ist ja noch nicht so lange her – damals war ein Kennenlernen ja nur eingeschränkt möglich. Kann man sagen, dass die Pandemie Slow Dating gefördert hat?

Viele Singles sagten damals, sie hätten seit Beginn der Corona-Pandemie ihr Dating-Verhalten verändert, und das zeigt sich auch tatsächlich in den Zahlen, die Online-Partneragenturen und Dating-Apps  veröffentlicht hatten: Es wurde mehr Zeit für wenige Kontakte aufgewendet, statt wie vorher viele Kontakte gleichzeitig und eher oberflächlich zu verfolgen.

Soziale Verbindungen gegen die Einsamkeit

Hintergrund ist natürlich, dass bei den Kontaktbeschränkungen für viele das eigentliche Treffen nicht mehr im Vordergrund stand, sondern soziale Verbindungen gegen die Einsamkeit. Weil Smalltalk keine emotionale Verbindung schafft, dafür aber der Austausch über die Sorgen und Ängste in unsicheren Zeiten, wurden die Gespräche tiefgründiger, denn die Gefühle standen im Vordergrund.

Was unterscheidet Slow Dating noch von anderen Dates?

Alle Singles erleben beim Dating schmerzhafte Enttäuschungen und Zurückweisungen. Es ist ganz normal, dass sie sich nun vor solchen erneuten Erfahrungen schützen wollen. Viele prüfen deshalb die potentiellen Partner*innen nach persönlichen Checklisten, wie gefährlich diese ihnen werden könnten. So verständlich das ist: So wird aus einem eigentlich romantischen Kennenlernen ein distanziertes Abchecken, das so liebevoll ist wie ein Bewerbungsgespräch. Beim Slow Dating lassen sich die Singles Zeit, Themen nicht nur zu streifen, sondern in die Tiefe zu gehen.

Ich gebe mal ein Beispiel: Um herauszufinden, wie ähnlich man einander ist und ob man auf einer Wellenlänge liegt, springen viele rasch vom Musikgeschmack zum Lieblingsfilm und dann zu den Plänen fürs nächste Jahr. Heraus kommen eher Listen, die abgeglichen werden. Man lernt sich jedoch näher kennen, wenn man häufiger innehält und fragt: Warum gefällt dir dieser Film so gut? Was löst diese Musik in dir aus? Weshalb ist dir das so wichtig? Dadurch werden emotionale Kontaktflächen angeboten, die Menschen überhaupt erst einmal interessant machen.

Die letzten zehn Urlaubsziele sind natürlich informativ, aber ich erfahre mehr über mein Gegenüber, wenn sie oder er mir sagt, was das schönste Erlebnis der letzten Reise war.

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Chance auf eine wachsende Liebe statt Liebe auf den ersten Blick

Aber muss es nicht gleich zu Beginn "funken"?

Viele glauben das zumindest: Wenn es nicht gleich zu Beginn richtig funkt, wird aus der Begegnung auch keine Beziehung. Häufig erwarten Singles genau das. Manche sabotieren sich durch diese Überzeugung jedoch die Chance auf eine Liebe, die noch Luft nach oben hat und wachsen kann. Zunächst ist da ja auch die Frage: Gibt es Liebe auf den ersten Blick? Der Beziehungsforscher Bernhard Murstein nannte die Liebe auf den ersten Blick einen Mythos.

Und von Bernhard Shaw stammt angeblich der Satz: Die Liebe auf den ersten Blick ist so treffsicher wie eine Diagnose, basierend auf Händedruck. Nach meiner Erfahrung würde ich die Wahrheit irgendwo zwischen dem zweiten und dem fünften Blick verorten. So beschreibt die Mehrheit der Langzeitpaare nämlich ihr Kennenlernen. "Beim dritten Mal wusste ich: Das ist er", sind typische Sätze. Die Erklärung hierfür: Für viele der "Liebe auf den ersten Blick"-Paarungen erweist sich sexuelle Anziehungskraft als Grundlage, die Partnerschaft hält dann einfach nicht lange.

Also muss man alle mehrfach treffen?

Nein. Sexuelle Anziehungskraft ist natürlich ein wichtiger Part beim Verlieben. Doch für eine dauerhafte Beziehung braucht es noch mehr. Der Glaube an die Liebe auf den ersten Blick ist kein Problem. Entscheidend ist, ob jemand die Liebe auf den ersten Blick erwartet. Dies ist dann eine extrem schicksalsorientierte Definition der Liebe. Nach dieser muss es "richtig knallen, sonst taugt es nichts".

Diesen Menschen gegenüber stehen jene, die wachstumsorientiert die Liebe erleben. Sie sagen: "Liebe wächst aus Freundschaft, Vertrauen und Geborgenheit." Das ist letztlich Slow Dating.

Wer nur den ersten Blick zulässt, kann die Liebe schnell übersehen

Halten solche Slow-Dating-Beziehungen länger?

Wer ausschließlich auf Amors Pfeil(e) wartet, gerät in Gefahr, die Liebe, die vielleicht in unmittelbarer Nähe wartet, zu übersehen, weil ein zweiter oder dritter Blick nicht zugelassen wird. Und es gibt keine gute oder schlechte Liebe, es gibt nur glückliche und unglückliche Paare.

Es ist nicht wichtig, wie eine Beziehung beginnt, es ist wichtig, wie glücklich die Partner*innen sind und bleiben. Und auch wenn es natürlich nicht für jeden zutreffen mag: Es ist aber erwiesen, dass einem Menschen sogar jemand sympathisch werden kann, den er nicht attraktiv findet.

Überhaupt ist es so: Je länger man mit einer Person zu tun hat und falls diese sympathisch scheint, umso wahrscheinlicher wird es, dass man sich ineinander verliebt. Deshalb nehmen so viele Beziehungen im Büro ihren Anfang. Man lernt sich kennen, fasst Vertrauen – und dann plötzlich, durch eine Verhaltensweise, durch eine Geste, macht es Klick. Statistisch halten solche Slow-Love-Beziehungen tatsächlich länger.

➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School. Dort gibt es auch passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.

Was ist noch wichtig rund ums Dating?

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