Gestalkt und gleichzeitig geblockt werden

Dating-Phänomen Orbiting: Wenn jemand da – und doch nicht da ist

Frau auf Sofa mit Handy
© Adobe Stock / simona
Er hat sich wieder über Social Media gemeldet, aber zu Gesicht kriegst du ihn nicht? Dann könnte es Orbiting sein.

Es scheint, als würden Dating-Phänomene immer fieser werden: Beim Orbiting ist eine Person der anderen über Social Media und Co vermeintlich ganz nah, zu einem Kontakt lässt sie es aber nicht kommen. Was es damit auf sich und welche Auswirkungen es hat, weiß Beziehungsexperte Eric Hegmann.

Jemanden beim Dating kennenlernen und die Person ganz nett finden: kommt gar nicht so selten vor. Die Person steigt jedoch nicht wirklich ein – Pech gehabt, dennoch auch ziemlich normal. Dann gibt es aber Menschen, die sich daraufhin wieder melden – nicht über die Dating-App, sondern Social-Media-Kanäle und ähnliches mehr. Und wer dann der Meinung ist, einem erneuten Versuch stünde nichts im Wege, wird einmal mehr bitter enttäuscht. Denn dazu kommt es nicht.

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Orbiting nennt sich dieses Dating-Phänomen – und es ist ziemlich fies, denn es nimmt mitunter Stalking-Ausmaße an, doch dabei bleibt es: Mehr wird nicht daraus. Eric Hegmann hat in seiner Arbeit als Paarberater mit allen möglichen Phänomenen zu tun, die Menschen in einer Partnerschaft betreffen – zu Beziehungsthemen aller Art bietet er in seiner Modern Love School zahlreiche Online-Kurse an. Auch Orbiting ist für ihn kein Fremdwort. Mit BILD der FRAU hat der Experte darüber gesprochen.

Gestalkt und geblockt: Unser Experte erklärt das Dating-Phänomen Orbiting

BILD der FRAU: Was genau bedeutet Orbiting?

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

Eric Hegmann: Der Kunstbegriff Orbiting stammt von einer englischsprachigen Autorin und bedeutet so viel wie umkreisen, also in einer Art Umlaufbahn um eine Person auf Partner*innensuche zu kreisen, ohne jedoch für diese erreichbar zu sein. Auf Nachrichten und Nachfragen wird nicht reagiert oder geantwortet. Aber gleichzeitig werden in den Sozialen Medien Positives und Bilder geliked und sogar kommentiert. Damit zeigt die Person immerzu: "Ich bin noch da!" – während sie gleichzeitig durch ihr Verhalten ausdrückt: "Bleib mir fern!" Und die Betroffenen grübeln nun: Hat er oder sie nun Interesse? Was stimmt nicht mit ihm oder ihr? Muss ich mir Sorgen machen? Ist das Stalking? Was will die Person von mir?

Was ist das Fiese am Orbiting?

Ein Kontakt, der plötzlich abbricht: So weit, so bekannt von Ghosting. Auch Hinhalten wie beim Benching hat traurige Bekanntheit. Beim Orbiting kommen neben der Enttäuschung und dem Selbstzweifel zusätzlich noch ein Bedrohungsgefühl durchs Stalking hinzu – vor allem dann, wenn die Betroffenen von Haus aus eher ängstlich sind. Anstrengend und belastend ist ebenso das ständige Grübeln, ob der Kontakt vielleicht doch Interesse hat oder nicht. Vor allem, wenn die Betroffenen zu den Menschen gehören, die eher an das Gute glauben und sich in der Partner*innensuche Hoffnung bewahren konnten.

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Schutzstrategien sabotieren die Partner*innensuche

Wie kann man sich davor schützen?

Das klingt resigniert, aber einen völligen Schutz gibt es nicht. Es gehört Mut dazu, sich immer wieder auf neue Menschen einzulassen. Partner*innensuche ohne Mut und Vertrauen ist unmöglich. Die Schutzstrategien, die nach solchen Erfahrungen entwickelt werden, sind leider ein Teil des Problems, das Dating-Phänomene darstellen.

Warum sind Dating-Phänomene wie Orbiting so schlimm?

Beim Kennenlernen müssen sich die Partner*innensuchenden ein Stück weit schutzlos zeigen und einander öffnen. Geschieht das nicht, wird es keine emotionalen Verbindungen geben – der berühmte Funke kann nicht überspringen, denn es fehlen die emotionalen Kontaktflächen. Deshalb sollte man nicht voller blindem Vertrauen in jedes Date gehen, aber eben auch nicht zu vorsichtig. Vertrauen in andere zu haben, ist enorm wichtig. Mindestens genauso wichtig ist es allerdings, Vertrauen in sich selbst zu haben und zu wissen, dass erlittene Verletzungen auch wieder heilen können.

Schutzstrategien hingegen sabotieren die Partner*innensuche. Nehmen Sie die verlustängstliche Strategie: Um nicht zurückgewiesen zu werden, versuchen diese Menschen nun, sich Liebe zu verdienen, sich noch liebenswürdiger darzustellen und zu verhalten, noch mehr zu investieren und noch ängstlicher zu klammern. Oder nehmen Sie die bindungsängstlichen Strategien: Die Betroffenen misstrauen allen außer sich selbst, sie lassen niemanden so nah an sich heran, dass sie verletzt werden können.

Mit jedem Frusterlebnnis wird die Mauer größer, die man errichtet

Beide Strategien sorgen dafür, dass betroffene Singles bei ihrer Partner*innensuche immer weniger erfolgreich sind. Das wiederum verstärkt die Schutzstrategien. Und so wird die Mauer immer größer, die errichtet wird – mit jeder Zurückweisungen und jedem Frusterlebnnis.

Ich habe es schon häufiger gesagt: Ich arbeite nahezu täglich mit Pentient*innen und Klient*innen in meiner Praxis, in meinen Online-Kursen und -Seminaren, die nach schlimmen Dating-Erlebnissen ihr Selbstvertrauen verloren haben. Manchen entwickeln eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und körperlichen Symptomen. Solche Symptomen müssen natürlich immer in Bezug gebracht werden mit früheren Verletzungen und Verlusterfahrungen. Aber wer schon früher Verletzungen erfahren musste, wird hier sehr leiden.

Deshalb einmal mehr mein Appell: Seien Sie bei der Partner*innensuche nett und gut zueinander. Nehmen Sie Health Dating ernst. Es ist Zeit, dass Dating wieder so wird, wie es sein sollte: wertschätzend, wertfrei, aufrichtig und aufregend. Lassen Sie uns wieder Umgangsformen pflegen, die uns guttun – und diejenigen beiseite lassen, die uns und andere verletzen.

 

➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School. Dort gibt es auch passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.

Neben Orbiting gibt es auch diese Dating-Phänomene: 

  • Dating-Trend Hardballing: Was daran wirklich knallhart ist
  • Cuffing – wenn eine Partnerschaft nur im Winter erwünscht ist.

Eine ganze Reihe von "Warnzeichen in Beziehungsphasen" haben wir in unserer umfangreichen Serie für dich zusammengefasst:

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