Kann das wirklich funktionieren?

Offene Beziehung führen: Wenn du Sex nicht nur mit deinem Schatz hast

Drei Personen von hinten, die eng nebeneinander in einem Park stehen. Die mittlere Person, eine Frau, hält gleichzeitig die Hände von zwei anderen Personen an ihrer Seite.
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Eine offene Beziehung führen? Viele fühlen sich dabei dennoch betrogen.

Nicht nur mit dem Partner oder der Partnerin, sondern gelegentlich auch Sex mit anderen zu haben: Eine offene Beziehung zu führen, ist für viele kein Modell, das sie leben wollen und können. Aber warum? Ein Experte über die Risiken – und was auch dafür sprechen könnte.

Aufgeschlossen für Neue(s) sein, eine Beziehung öffnen, die oder den Liebsten mit anderen teilen: Fragt man vor allem junge Menschen, scheint sich da ein Trend abzuzeichnen. Laut einer Umfrage der Dating-App Elitepartner vom August 2023 können sich rund ein Viertel aller Befragten, die unter 30 sind, eine sogenannte offene Beziehung vorstellen. Die Partnerin oder der Partner ohne Exklusiv-Anspruch – das bedeutet aber auch, Sex mit anderen zu haben. Ein solches Modell mag auch mal stimulierend sein – in jedem Falle aber birgt es reichlich Konfliktpotenzial. Kann es überhaupt gelingen, eine offene Beziehung zu führen? BILD der FRAU hat einen Experten dazu befragt.

Was ist der Unterschied zwischen "Affäre" und "Verhältnis"?

Eine offene Beziehung führen? Alles kann funktionieren, wenn es gut verhandelt wird

Paarberater und Parship-Coach Eric Hegmann bietet in seiner Modern Love School viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen an. Im Laufe seiner langen beruflichen Tätigkeit hat er auch Erfahrung mit Paaren gemacht, die das Modell offene Beziehung leben oder es vorhaben. Mit BILD der FRAU hat der Beziehungsexperte über Sinn und Risiken dieser Partnerschaftsform gesprochen – und welche große Gefahr er dabei sieht.

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, eine offene Beziehung führen – was genau bedeutet das?

Eric Hegmann: Jedes Paar definiert durch die individuellen Absprachen die eigene Beziehungsform. Hierzu gehören auch die "unausgesprochenen" Absprachen, denn nach Umfragen gehen bis zu ein Drittel der Menschen in Beziehungen fremd. Sie öffnen also einseitig die Beziehung, was ganz klar unehrlich und unfair ist, dennoch führen sie dadurch eine Variante der "offenen" Beziehung.

Eine offene Beziehung auf Augenhöhe funktioniert auf der Basis gegenseitiger sexueller Freiheit. Das kann sehr erfolgreich sein, wenn tatsächlich beide Partner*innen diese Form wünschen. In der Praxis erlebe ich es allerdings häufig, dass nur eine*r von beiden dies wünscht und die/der andere zustimmt, um die Beziehung nicht zu gefährden. Solche Formen führen jedoch ganz sicher zum Beziehungsende.

rei Personen auf einer Parkbank sitzend, von hinten betrachtet. Zwei Erwachsene, ein Mann und eine Frau, küssen sich. Der Mann hat seine Hand hinter dem Rücken der Frau, die neben ihm sitzt, und berührt dabei heimlich die Hand einer anderen Frau auf der anderen Seite. | © iStock.com/stock_colors
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Es birgt eine Menge Zündstoff, wenn Paare aus der trauten Zweisamkeit ausbrechen, um eine offene Beziehung zu führen. Ein Experte erklärt, warum – und ob das Modell sogar Vorteile bietet.

Verschiedene Gründe, warum manche eine offene Beziehung führen

Warum wählen Menschen diese Form von Beziehung?

Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • Häufig begegnen mir Paare, die ihre Beziehung geöffnet haben, weil eine*r von beiden keinen oder nur noch deutlich weniger Sex wünscht als die/der andere. Das kann die Folge einer Erkrankung sein, aber auch einfach nur nachlassende Libido.
  • Dann gibt es Paare, die ihre Beziehung öffnen, um ganz bewusst neue Impulse für ihre Beziehung zu erfahren. Sie erhoffen sich, aus lustvollen Begegnungen außerhalb der Beziehung mehr Leidenschaft ins eigene Schlafzimmer zu tragen.
  • Ich kenne auch Paare in Fernbeziehungen, die sich sexuelle Kontakte erlauben, ebenso Paare, die sich einmal im Jahr getrennten Urlaub zugestehen, in dem dann auch eine Affäre okay ist.
  • Und dann gibt es noch Paare, die gemeinsam sexuelle Fantasien wie in Swinger Clubs oder auf Fetisch-Partys ausleben und dort andere Paare oder Personen einbezogen werden.

Es gibt also nicht "die" offene Beziehung. Jede ist anders, denn sie wird individuell verhandelt. Teilweise bis in kleine Details – ob es beispielsweise in Ordnung ist, über Nacht zu bleiben oder tabu, mit einer Person ein zweites Mal Sex zu haben.

Kann eine einseitige offene Beziehung funktionieren?

Drei junge Erwachsene, die zusammen in einer ländlichen Umgebung spazieren gehen. Ein Mann mit einem schwarzen T-Shirt und einer dunklen Jeans umarmt von hinten eine Frau, die ein weißes Top und eine graue Hose trägt, während sie beide zu einem anderen Mann blicken, der lächelnd vor ihnen steht. | © iStock/Sjale
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Eine offene Beziehung kann funktionieren – die meisten Partner*innen aber fordern Exklusivität ein.

Ja. Alles kann funktionieren, wenn es gut verhandelt wird von den Partner*innen. Ich habe beispielsweise ein Paar erlebt, da war er froh, dass seine Partnerin sexuelle Erfüllung mit anderen erlebte, weil er selbst an Intimität keine Freude hatte. So erhielten sie ihre Beziehung dennoch. Das funktionierte bereits seit über zehn Jahren so. Manchmal hat eine*r von beiden die Freude am Sex verloren, vielleicht durch eine Krankheit, vielleicht nach einem Schicksalsschlag.

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Die meisten Partner*innen wollen die Nr. eins in der Beziehung sein – und keine Option

Aber die Mehrheit der einseitig offenen Beziehungen scheitert nach meiner Erfahrung, weil unterschiedliche Vorstellungen über sexuelle Treue eine solch grundlegende andersartige Wertvorstellung bedeuten, dass die Partner*innen sich gegenseitig verletzt fühlen. Letztlich erlaubt ein solches Beziehungsmodell geduldete Affären. Doch kaum jemand möchte nur eine Option der/des anderen sein, sondern deren/dessen Priorität.

Wie ist das, wenn Kinder mit zu Hause leben – sollen sie das wissen?

Das ist abhängig vom Beziehungsmodell und den Kindern selbst. Grundsätzlich erlebe ich aber eher nicht, dass Kinder so genau mitbekommen könnten, was ihre Eltern in ihrem Schlafzimmer machen. Die wollen das auch nicht wissen.

Welche Rolle spielt Eifersucht?

Das wichtigste Gefühl, mit dem Partner*innen in offenen Beziehungen konfrontiert werden, ist sicherlich Eifersucht. Aber wer unter starker Verlustangst leidet, wird die Beziehung nicht öffnen, das wäre selbstquälerisch. Eine offene Beziehung ist gewiss ehrlicher als eine Affäre, doch es müssen beide Partner*innen dazu bereit sein.

Schwierig, wenn eine*r von beiden die offene Beziehung nur duldet

Mein Eindruck ist, dass die offene Beziehung genau dann zum Problem wird, wenn eigentlich eine*r von beiden die Erlaubnis zu einer Außenbeziehung oder Affären sucht und die/der andere sich dem Wunsch nicht widersetzen kann, aus Furcht, die Partnerin oder den Partner ganz zu verlieren. Das ist eher emotionale Abhängigkeit als eine Beziehung auf Augenhöhe.

Paare, die mit offenen Beziehungen glücklich werden, haben nach meiner Erfahrung dieses Beziehungsmodell bereits von Anfang an gelebt oder zumindest abgesprochen. Nachträglich wird der Vorschlag für eine offene Beziehung doch für die meisten Menschen sehr verletzend sein. Wer also eine offene Beziehung führen möchte, sollte das bei der Partner*innen-Wahl bereits unbedingt berücksichtigen.

Kann die offene Beziehung tatsächlich Vorteile haben im Vergleich zur monogamen Beziehung?

Ja, das kann sie. Allerdings habe ich es berufsbedingt mehr mit Paaren zu tun, die Konflikte haben und sie lösen wollen. Mir scheint unerlässlich, dass wirklich beide Partner*innen das Gleiche wollen und nicht eine*r die eigenen Wünsche zurücksteckt. Dauerhaft hält das keine Beziehung aus.

Sexualität ist ein wichtiger Bestandteil einer Beziehung. Aber Sexualität verändert sich. Die Leidenschaft weicht der Intimität. Angekommen zu sein, zu Hause zu sein, Vertrautheit und Geborgenheit lassen Sex sehr intensiv und befriedigend erleben. Doch die Sehnsucht nach dem Kribbeln des Unbekannten verschwindet dadurch nicht.

Wer eine offene Beziehung führen will, muss ehrlich sein und ehrlich verhandeln

Die offene Beziehung versucht, diese beide Seiten des Sex erlebbar zu machen. Sind die Partner*innen in der Lage, ihre Wünsche und Fantasien zu besprechen und die Regeln, mit denen sie sich wohlfühlen, zu verhandeln, kann eine offene Beziehung auch stabiler sein als eine, in der unerfüllte Wünsche für Frustration und gegenseitige Abwertung sorgen.

Aber du musst dazu verhandeln: Willst du vorher oder nachher wissen, was dein*e Partner*in gemacht hat? Wie genau willst du es wissen? Willst du ein Veto-Recht? Willst du dabei sein? Ist Küssen okay? Oder ein zweites Treffen? Zu Hause oder im Hotel? Willst du die Partner*in deiner/deines Liebsten kennen? Willst du danach Sex mit deiner Partnerin bzw. deiem Partner? Es gibt so viel zu klären und besprechen – das ist wohl auch der Grund, weshalb die meisten Paare die geheime Affäre vorziehen, also Unehrlichkeit und Betrug, um der Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. 

Wo sehen Sie die größte Gefahr, wenn Paare eine offene Beziehung führen?

Die offene Beziehung birgt immer das Risiko, dass sich eine Person beim Sex verliebt. So selten ist das ja nun nicht. Diese Gefahr ist immens groß. Solche Konsequenzen müssen bedacht werden. Vielleicht ist dann nämlich doch eine saubere Trennung und ein Neubeginn die weniger schmerzhafte Strategie.

Paare, die Sex einschlafen lassen, sind gefährdet, wenn die Leidenschaft neu erwacht

In einer offenen Beziehung kann ganz sicher viel Leid stecken, doch aus der Distanz betrachtet ist das so viel oder wenig Leid wie in jeder anderen Beziehung, wenn die Partner*innen unehrlich sind miteinander. Paare, die lange zusammen sind, leiden häufig unter unerfüllten Wünschen und Fantasien. Es gibt nicht wenige Beziehungen, die am Anspruch an die Treue gescheitert sind. Viele Paare lassen den Sex einschlafen, beide sagen, das sei ihnen nicht mehr so wichtig – und in der Phase empfinden sie auch so.

Doch dann kommt womöglich eine neue Kollegin oder neuer Kollege, bei dem die sexuelle Anziehungskraft so stark ist, dass der Wunsch nach Sexualität neu erwacht – mit gewaltiger Energie. In solchen Situationen sprechen dann die Partner*innen oft davon, ihren Seelenverwandten gefunden zu haben, dabei ist vielleicht nur die Leidenschaft neu erwacht. Ob es dann besser ist, einmal diese Leidenschaft auszuleben (und festzustellen, dass das Gras doch nicht grüner ist woanders) oder die langjährige Partnerschaft aufzugeben, ist oft eine Frage in der Paarberatung.

➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School.

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