Gaslighting – das perfide Spiel mit deiner Wahrnehmung

Verlustangst & Kontrolle: Gaslighting kommt in Beziehungen gar nicht so selten vor. Wie du dich vor dieser anhaltenden Manipulation schützt.
Gaslighting und Co: Woher kommt diese "neue" Angst vor Bindung und Verlust?
Zu den immer narzisstischeren Ausprägungen kommt wegen der heute vorherrschenden Romantisierung der Liebesbeziehung die große Furcht dazu, eine falsche Partnerentscheidung zu treffen. Das führt zu einer längeren Phase des Ausprobierens, das Durchschnittsalter für die Familiengründung und Eheschließung verschiebt sich immer weiter nach hinten – derzeit liegt es bei etwa Mitte 30. Vor einigen Jahrzehnten war es noch bei Ende 20.
Paarberater Eric Hegmann kennt sich mit der Thematik bestens aus. Für BILD der FRAU hat der Experte die wichtigsten Warnzeichen während der Dating- und Beziehungsphasen in der heutigen Gesellschaft zusammengestellt. In einer Serie erklärt er sie und sagt, wer so etwas macht, wer betroffen ist – und wie man sich schützen kann.

Warnzeichen beim Kennenlernen – Teil 3: Gaslighting
Menschen mit starken narzisstischen Zügen beobachten häufig sehr genau ihre Partner*innen, um sich vor Verletzungen durch sie zu schützen – denn sie könnten ihren bereits niedrigen Selbstwert noch weiter schmälern. Das ist keine Empathie, sondern vielmehr Manipulation, die dazu führt, dass an allen Konflikten die Schuld immer die Partner*innen tragen, denen das Wort im Munde umgedreht wird. Das Phänomen ist Ausdruck großer Verlustangst, die nicht vor Täuschung und Verleumdung zurückschreckt, um die Kontrolle über die andere Person zu bewahren.
Gaslighting kann enorm gefährlich werden. Denn es handelt sich im Grunde um nichts anderes als emotionale Manipulation bis hin zur Gehirnwäsche. Die Person, die dieses Verhaltensmuster anwendet, gibt ihrer Partnerin bzw. ihrem Partner immer wieder kleine Häppchen an Kritik mit, die diese*n mit der Zeit weiter zermürben und sie oder ihn dazu bringen, an sich selbst zu zweifeln. Die manipulierende Person spricht ihrem Gegenüber immer wieder deren bzw. dessen angeblich negatives Verhalten an, um sie oder ihn in Erklärungsnot zu bringen. Dieser ständige Zwang, sich rechtfertigen zu müssen, der dadurch entsteht, kann dazu führen, dass man sich letztendlich selbst für verrückt hält. Das kann bis hin zum Identitätsverlust führen.
Gleichzeitig geben Menschen, die Gaslighting betreiben, ihren Partner*innen nebst ständiger emotionaler Anschuldigungen auch das Gefühl der Nähe und der Sicherheit. Mit ermutigenden Phrasen wie "ich bin für dich da und helfe dir, dich zu verbessern" binden sie sie emotional an sich – und dominieren sie.
Tipp: Misstraue nicht deiner eigenen Wahrnehmung. Glaube nicht, dass immer nur du die "Schuld" trägst. Tausche dich frühzeitig mit Freund*innen aus und überprüfe, ob deine Liebe nicht nur emotionale Abhängigkeit ist. Führe Tagebuch.
Gaslighting: Wen kann es treffen?
Vor allem natürlich Singles, die durch schmerzhafte Erfahrungen in früheren Beziehungen oder der Partner*innen-Suche einen verletzten Selbstwert haben und sich deshalb leichter beeinflussen lassen. Menschen mit einem starken Selbstwertgefühl lassen sich nur dann mit Partner*innen mit einem schwachen Selbstwert ein, wenn sie das zunächst nicht bemerken. Doch genau das ist, was Gaslighting ausmacht: Es trifft häufig jene, die nicht gefährdet wirken. Gerade weil sie sich sicher fühlen, erkennen sie die Manipulationen erst sehr spät.
Gaslighting: Wer macht so was?
Gaslighting passiert nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich. Die Täter*innen sind Menschen mit extremem Wunsch nach Kontrolle. Sie erheben sich über die Partner*innen, indem sie sie herabsetzen. Jemanden an der eigenen Wahrnehmung zweifeln zu lassen, macht Betroffene hilflos, machtlos und abhängig.
Gaslighting: Wie kann man sich schützen?
Wenn du feststellst, dass dir vorgeblich immer wieder Dinge entfallen oder du dich angeblich ganz untypisch verhalten hast, trainiere deine Wahrnehmung. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass du plötzlich nur in deiner Beziehung unbekannte Verhaltensweisen zeigst, aber im Umgang sonst und im Alltag nicht. Ein Warnsignal kann auch sein, wenn dein*e Partner*in deinen Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen ist, sondern nur noch die eigenen gelten lässt.
Die beste Methode, sich einem Gaslighting zu entziehen: sich von der manipulierenden Person fernhalten. Opfer dieser Manipulation erleiden nicht selten irgendwann psychische Erkrankungen, können sogar eine Depression oder eine dissoziative Störung entwickeln.
Woher kommt der Begriff?
Warum man dieses Verhalten Gaslighting nennt, liegt an dem Film "Gaslight" aus den 1940er-Jahren. Im Film versucht ein Mann, seiner Frau nach und nach zu vermitteln, dass sie verrückt geworden sei, den Verstand verloren hat.
Gaslighting kann übrigens auch außerhalb von Beziehungen, etwa in einer Freundschaft oder unter Kolleg*innen vorkommen. Unbegründete Vorwürfe, die das Gegenüber zermürben, oder ständige Aggressivität sind starke Anzeichen für anhaltende emotionale Manipulation.
➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier.
Hier geht's zu weiteren Teilen der Serie:
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 1: Love Bombing
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 2: Fast Forwarding
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 4: Flying Monkeys
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 5: Hoovering
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 6: Firedooring