"Willst du mich heiraten?" Aaargh

Gamophobie: Wenn allein der Gedanke an die Ehe Panik auslöst

Eine Braut mit funkelndem Haarschmuck und Schleier umarmt eine weinende Frau in einem dunkelblauen Kleid mit weißen Mustern.
© Getty Images / Sviatlana Lazarenka
Bist du froh, nicht anstelle der Braut zu sein? Weil du geradezu Angst vor der Ehe verspürst? Vielleicht leidest du an Gamophobie.

Wer schon beim Satz "hiermit erkläre ich Sie für Mann und Frau" Schweißausbrüche kriegt, leidet womöglich unter Gamophobie: Die Angst vor der Ehe gibt es wirklich! Wer betroffen ist und was sich dagegen tun lässt.

Den Bund der Ehe einzugehen, zählt für viele Menschen nach wie vor zu den wichtigsten und auch schönsten Ereignissen ihres Lebens. Andere wiederum sehen keinen Sinn darin, sich auf diese Art und Weise zu binden oder halten die Ehe für schlicht überholt. Es gibt allerdings auch Personen, die regelrecht Angst vor der Ehe haben. Dafür gibt es sogar einen Fachausdruck: Gamophobie!

Bindungsangst: Das sind die Symptome

Was hat es damit auf sich? Woher kommt diese Angst? Kann man erfolgreich dagegen angehen? Und wie? BILD der FRAU hat mit Julia Dernbach vom Portal "Arztphobie" gesprochen, das sich mit der Angst vor Ärzt*innen und medizinischen Behandlungen, darüber hinaus mit Ängsten aller Art befasst, auch mit Gamophobie, darüber aufklärt und Hilfe anbietet.

Gamophobie – die panische Angst vor der Ehe oder verbindlichen Beziehungen

BILD der FRAU: Liebe Frau Dernbach, wann und wie kam der Begriff Gamophobie auf? Wie hat er sich etabliert?

Julia Dernbach vom Portal "Arztphobie" | © arztphobie.com
Foto: arztphobie.com
Julia Dernbach vom Portal "Arztphobie"

Julia Dernbach: Der Begriff Gamophobie ist in der breiten Gesellschaft zwar relativ unbekannt, dafür allerdings schon überraschend lange in Verwendung. Erstmals wurde er zu Beginn des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Genauer gesagt 1805. Gamophobie wird landläufig mit der "Angst vor Ehe" übersetzt. Betrachtet man die Etymologie des Wortes, ist das auch nachvollziehbar. "Gamos" ist Griechisch und bedeutet "Ehe". Und was eine Phobie ist, dürfte bekannt sein.

Ganz treffsicher ist die Gleichsetzung von Gamophobie und Angst vor der Ehe allerdings nicht. Bei dieser Phobie handelt es sich nämlich viel allgemeiner um die Angst vor einer ernsthaften Beziehung bzw. einer dauerhaften Bindung. Die Angst vor der Ehe ist eine sehr spezifische Ausformung dieser Störung.

Wie viele Menschen sind schätzungsweise davon betroffen?

Konkrete Erhebungen zur Verbreitung von Gamophobie gibt es nicht. Die statistisch erfassten 5,01 Millionen überzeugter Singles in Deutschland (Statista, 2021) sind zwar eine interessante Zahl, daraus Rückschlüsse auf vermeintliche Gamophobiker zu ziehen, wäre allerdings mehr als nur unzulässig.

Was sind die Hauptursachen für Gamophobie?

Wie bei sozialen Ängsten oft der Fall, liegen die Ursachen auch bei der Gamophobie meist in der Vergangenheit des Betroffenen. So leiden etwa Scheidungskinder öfter unter dieser speziellen Phobie. In zerrüttenden Verhältnissen aufgewachsene Menschen verbinden die Ehe deutlich häufiger mit negativen Emotionen. Dasselbe gilt für Opfer von Missbrauch. Wer in seiner Kindheit wenig Anerkennung seitens der Eltern erfahren hat, ist ebenfalls anfällig für das Entstehen einer Gamophobie.

Neben graduellen Auslösern sorgen oft traumatische Erlebnisse für das plötzliche Auftreten dieser Angst. Zum Beispiel der Tod eines Elternteils oder eines anderen geliebten Menschen.

Es ist immer gut, sich der vermeintlichen Angst zu stellen

Was lässt sich dagegen tun?

Das kommt immer darauf an, wie stark die Gamophobie ausgeprägt ist. Handelt es lediglich um Gedanken und Gefühle, die von Zeit zu Zeit immer wieder einmal im Hinterkopf auftauchen, ist in der Regel keine professionelle Therapie nötig. Offene Gespräche mit dem Partner oder der Partnerin sind hilfreich, genauso wie die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit und Zukunft. Welche Erfahrungen habe ich mit Beziehungen bisher gemacht und was wünsche ich mir?

Bei einer milden Form ist es außerdem eine gute Idee, sich der vermeintlichen Angst zu stellen. Beiseiteschieben macht sie nur diffuser und dadurch größer, als sie in Wahrheit ist. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Subjekt der Phobie – in dem Fall also der Ehe – hilft oft Wunder. Der Besuch der Hochzeitsfeier guter Freundinnen oder Freunde zum Beispiel. Die gelöste Atmosphäre kann dabei helfen, positive Gefühle mit dem Thema Ehe zu verbinden.

Ist die Gamophobie hingegen so stark ausgeprägt, dass Betroffene unter regelrechten Panikattacken leiden, sollten sie unbedingt professionelle Hilfe in Form einer klassischen Psychotherapie in Anspruch nehmen.

Wie liegen die Chancen, dass die Angst vor der Hochzeit wirklich verschwunden ist?

Das ist von der Schwere der Angst und von der betroffenen Person sowie deren Lebensumstände abhängig. Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Wer das Glück hat, in einem stabilen persönlichen Umfeld leben zu dürfen, wird mit der Angst vor der Ehe unterm Strich besser zurechtkommen als ein Mensch, der auf Schritt und Tritt von Unsicherheit begleitet wird. Bei der Gamophobie verhält es sich also nicht anders als bei allen anderen Phobien auch.

Ratschläge von anderen: ja, Beeinflussung: nein

Welchen Fehler sollte man während der "Behandlung" nicht begehen?

Sich selbst unter Druck zu setzen, ist immer ein ganz schlechter Ansatz. Nirgends steht geschrieben, dass jede Beziehung unweigerlich in eine Ehe münden muss. Ebenso wenig ist es ein Naturgesetz, dass Menschen ausnahmslos nur in einer Beziehung glücklich sein können. Betroffene sollten zudem nicht auf vermeintlich gut gemeinte Ratschläge von Eltern, Freundinnen und Freunden oder anderen Bezugspersonen hören. Darüber reden ja, Beeinflussung nein. Jeder Mensch ist anders, jeder verarbeitet Eindrücke auf seine Art und Weise. Eine Blaupause gibt es nicht. Ehrlich zu sich selbst zu sein und sich auch die nötige Zeit zu geben, ist wichtig.

Wer aufgrund seiner Gamophobie tatsächlich unter Panikattacken leidet, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Wichtig ist dabei, dass Betroffene ein gutes Gefühl haben, also nicht den/die erstbeste*n Therapeuten/Therapeutin auswählen, sondern in sich hinein hören und auf dieser Basis eine Entscheidung treffen. Auch im Rahmen der Psychotherapie gilt: nichts überstürzen! Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen und einen Schritt nach dem anderen zu setzen.

Was raten Sie Menschen, die an Gamophobie leiden oder zumindest glauben, dass das der Fall ist?

Hören Sie auf sich selbst! Das klingt zunächst etwas esoterisch, aber Menschen haben im Grunde ein feines Gespür dafür, wenn etwas mit ihnen selbst nicht stimmt. Sind Sie dann zur Feststellung gekommen, dass Sie tatsächlich unter Gamophobie leiden, schieben Sie das Problem nicht weg. Gänzlich lässt es sich nämlich nie ignorieren, es lauert immer irgendwo im Unterbewusstsein darauf, hervorzubrechen. Und dann sind Sie emotional unvorbereitet, Ihre Phobie trifft Sie dadurch härter als nötig.

Seien Sie ehrlich zu sich selbst und sprechen Sie unbedingt mit Ihren wichtigsten Bezugspersonen über Ihre Probleme. Allein das Aussprechen einer Vermutung wird oft schon als große Erleichterung empfunden.

Kommen Sie dann zum Schluss, dass Sie tatsächlich an einer (schweren Form der) Gamophobie leiden, schämen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In der jüngeren Vergangenheit wurde es zwar deutlich besser, der Psychotherapie haftet aber immer noch ein gewisses gesellschaftliches Stigma an. Das ist natürlich grober Unsinn! Jeder Mensch benötigt irgendwann einmal Hilfe. Und wenn es so weit ist, ist es absolut keine Schande, diese auch in Anspruch zu nehmen.

➔ Mehr Infos gibt's unter arztphobie.com.

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