Eltern und Partnerschaft: Wie ihre Beziehung dich in der Liebe prägt
Kinder übernehmen so viel von ihren Eltern – ob ihnen das passt oder nicht. Das gilt auch für die Art der Beziehung, die Mama und Papa führen. Wie sehr sie uns tatsächlich beeinflusst, erklärt ein Experte.
Nichts ist für Kinder in den ersten Jahren prägender als das Elternhaus: Was Mama und Papa sagen und tun, wie sie reden und handeln, für welche Werte sie stehen – alles wird unbewusst aufgesogen. Ganz entscheidend ist auch, wie die Eltern miteinander umgehen, sprich: wie sie ihre Partnerschaft leben. Denn auch das übernimmt der Nachwuchs. Heißt das nun, dass Kinder das Beziehungsmodell der Eltern übernehmen, automatisch und eins zu eins?
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach, kennt diese Fragestellungen aus seinem beruflichen Alltag nur allzu gut. Zu derlei Beziehungsthemen bietet er in seiner Modern Love School zahlreiche Online-Kurse an. Im Interview mit BILD der FRAU spricht der Beziehungs-Experte über "vererbte" Partnerschaftsmuster, inwiefern Kinder sich vom vorgelebten elterlichen Modell lösen (können) – und ob auch Seitensprünge der Eltern eine Rolle spielen.
Wie die Eltern, so die Kinder? Wie sehr vorgelebte Beziehungsmodelle übertragen werden
BILD der FRAU: Kinder führen irgendwann die gleiche Beziehung wie ihre Eltern – ist das so?
Eric Hegmann: Irgendwann kommt der Vorwurf immer: "Das hast du doch von deinen Eltern!" Oder: "Naja, so wie du aufgewachsen bist …!" Und es ist tatsächlich etwas dran.
Wenn es darum geht, wie sich Menschen ihre eigene Beziehung vorstellen, dann ist diese sehr deutlich von jener geprägt, die uns die Eltern oder die Bezugspersonen in der Kindheit vorgelebt haben. Dabei geht es beispielsweise um Streitkultur, um die Dynamik und die Rollenverteilung, aber auch grundsätzlich um das Beziehungsmodell. Beeinflusst bedeutet allerdings nicht, dass Kinder prinzipiell das nachleben möchten, was sie bei ihren Eltern gesehen haben. Es kann auch sein, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Oder dass in der eigenen Beziehung Konflikte der Eltern stellvertretend gelöst werden sollen.
Prägender Einfluss der elterlichen Beziehung heißt nicht, dass sie kopiert wird
Es ist also zu einfach zu denken, wir kopieren als Erwachsene die Lebensweise der Eltern. Aber den Einfluss, den werden wir tatsächlich niemals los. Und es geht sogar noch einen Schritt weiter. Denn wenn wir akzeptieren, dass Kinder von Eltern weitgehend beeinflusst werden, dann bedeutet es auch, dass unsere Eltern von unseren Großeltern beeinflusst wurden. Es geht also um generationenüberspannende Einflüsse.
Stichpunkt Streitkultur: Prägt uns der Umgang mit Konflikten besonders?
Was viele Paare in der Paarberatung tatsächlich sehr früh ansprechen, ist der Umgang mit Konflikten im eigenen Elternhaus oder dem der Partnerin oder des Partners. Ist einer aufgewachsen in einer Umgebung, in der Konflikte frühzeitig und offen und vielleicht auch emotional ausgetragen wurden, dann wird dieser das häufig übernehmen und ebenfalls wenig konfliktvermeidend agieren. Das ist wahrscheinlich, wenn sich dieses Modell als tragfähig erwiesen hat. Führte es allerdings zu großen Spannungen oder sogar zur Trennung, ist gut möglich, dass der Erwachsene später den Fehler vermeiden und es ganz anders handhaben will.
Umgekehrt sind Kinder aus eher harmoniebedürftigem, vielleicht sogar konfliktscheuem Elternhaus meist selbst eher geneigt, auf Frieden zu achten und Problemgespräche zu vermeiden. Aber auch hier gilt die oben erwähnte Ausnahme, inwieweit sich das Modell vermeintlich bewährt hat oder nicht.
Schwierigkeiten tun sich auf, wenn unterschiedliche Modelle aufeinanderprallen
In der Praxis prallen in Beziehungen häufig Partner*innen aus unterschiedlichen Beziehungsmodellen aufeinander, was zu großen Spannungen führen kann. Eine Partnerin oder ein Partner sucht frühzeitig die Konfrontation und will Konflikte rasch klären, die oder der andere erlebt dies jedoch als extrem bedrohlich und zieht sich lieber zurück, weil sie oder er vielleicht übernommen hat: Streiten ist etwas Schlechtes!
Übernehmen Kinder die Eigenschaften von Mama und Papa zu gleichen Teilen?
Die Paar-Dynamik nehmen wir als Kinder sofort wahr. Wer ist eher fordernd in der Beziehung, wer investiert mehr, wer sucht mehr Nähe, wer initiiert häufiger Zärtlichkeit, wie wird mit Zurückweisungen umgegangen? Kinder fühlen sich der Rolle eines Elternteils oft mehr zugehörig und übernehmen später in ihren eigenen Beziehungen diese Rolle. Damit halten sie die Dynamik am Laufen, denn diese fühlt sich gewohnt und vertraut an. Das Ausbrechen aus diesem Schema wird oft als sehr anstrengend erlebt und benötigt viel Überwindung. Denn eine solche Dynamik hat auch viel mit Werten und Überzeugungen zu tun: "Man macht das doch so …!"
Für Kinder ist alles zunächst gut so, wie es ist
Der Einfluss der Eltern ist schon deshalb so groß, weil Kinder zunächst gar keine Vergleichsmöglichkeiten haben und kennen. Was die Eltern machen und wie sie es tun, das ist zunächst einmal so, wie es ist – und das ist richtig. Das gilt auch für dysfunktionale Dynamiken. Und wie wir nicht nur aus der Literatur wissen: "Jede Familie ist dysfunktional, jede auf ihre Art."
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Aber irgendwann kippt doch dieses kindliche Urvertrauen, das Nicht-Hinterfragen?
Mit zunehmendem Alter werden die Verhaltensweisen der Eltern in Frage gestellt, das gehört zur Entwicklung dazu. Allerdings ist bis zu diesem Zeitpunkt die Prägung längst geschehen. Partner*innen-Suchende stellen häufig fest, dass ihre Kontakte sich ähneln. Der Grund ist meist: Sie suchen das Gewohnte und Vertraute, denn das gibt Sicherheit und Geborgenheit, was unerlässlich ist, um einen Kontakt sympathisch zu finden und sich vielleicht sogar zu verlieben. Gewohnt ist, was wir aus der Kindheit kennen.
Konfliktfreudig oder harmoniebedürftig? Meist bleibt die Prägung
Dies kann sich in der Beziehungsbiografie durchaus aufgrund der eigenen Erfahrungen verändern, doch da die meisten Menschen bei ihrem anfänglichen Muster bleiben und dies wiederholen, bleibt eher bestehen, ob wir beispielsweise eher konfliktfreudig oder harmoniebedürftig sind. Ganz besonders diese Kommunikations-Dynamik, die sich in Forderungs- und Rückzugsverhalten zeigt, wird oft über Generationen weitergereicht. Das zeigen zahlreiche Studien.
Und wie werden Kinder geprägt, wenn ein Elternteil einen Seitensprung hatte?
Prägend ist auch das Beziehungsmodell. Kinder aus Ehen, in denen eine Partnerin/ein Partner eine Affäre hatte und die Beziehung deshalb in die Brüche gegangen ist, bewerten Untreue meist anders als jene, bei denen die Affäre nicht zum Aus führte, womöglich nach der Verarbeitung der Krise sogar zu einer Verbesserung der Beziehung oder Ehe.
Vorsicht, was Erinnerung betrifft: War es wirklich so?
Was in der Beziehung der Eltern als bedrohlich und die Liebe gefährdend erlebt wurde, das wird auch in der eigenen Partnerschaft eher abgelehnt und vermieden. Was sich hingegen gut, positiv und stärkend anfühlte, das wird mit der eigenen Partnerin/dem eigenen Partner gesucht und zu wiederholen versucht.
Hier gilt es jedoch zu bedenken: Die eigenen Erinnerungen können trügen. Denn Kinder wissen eben nicht, ob das, was ihnen vorgelebt wurde, die Eltern tatsächlich so glücklich gemacht hat, wie sie das bewerten. Es lohnt sich unbedingt, die eigenen Werte kritisch zu hinterfragen, welche Ursprünge sie haben, und ob es nicht vielleicht doch ganz anders war als vermutet. Denn aus der Perspektive von Kindern sind und bleiben Eltern eben Eltern. Dabei waren die in ihrem Erleben ja auch ein Paar, das selbst mit den Prägungen aus den eigenen Elternhäusern versucht hat, eine glückliche Beziehung zu führen.
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