Was ein Experte dazu sagt

Lässt sich eine Ehe friedlich beenden?

Lässt sich eine Ehe friedlich beenden
© Getty Images / Daniel Grill
Aus und vorbei: Wer sich trennt oder gar scheiden lässt, bringt viel Emotionen mit. Aber lässt sich eine Ehe oder Beziehung überhaupt friedlich beenden? Wir haben einen Experten dazu gefragt.

Eine Beziehung lebt von Emotionen – kein Wunder also, dass viele sich nicht leicht damit tun, wenn sie vorbei ist. Lässt sich eine Ehe aber überhaupt friedlich beenden? Schon: Wie das geht, erklärt ein Experte.

Längst ist es nicht mehr Bedingung für Paare, den Bund der Ehe einzugehen – und das ist auch gut so. Aber: "Seit Beginn des Jahrhunderts wird wieder mehr geheiratet, die Ehen dauern länger und werden seltener geschieden", weiß Parship-Coach Eric Hegmann. Dennoch, sagt er, trennen sich viele Paare, die meisten bereits in den ersten Jahren. Allerdings: "Mit der Dauer der Ehe reduziert sich auch die Gefahr einer Trennung. Statistik ist im Einzelfall jedoch kein Trost und hilft vor allem auch nicht."

4 Herausforderungen, die jedes Paar meistern muss

Denn bei einer Trennung fliegen leider ziemlich häufig die Fetzen. Das tut weh – und zwar allen Beteiligten. Was aber lässt sich unternehmen, um eine Ehe friedlich zu beenden? Eric Hegmann kennt diese Problematik aus seiner Arbeit als Paarberater – zu Beziehungsthemen aller Art bietet er in seiner Modern Love School zahlreiche Online-Kurse an. Mit BILD der FRAU hat der Partnerschafts-Experte über das Thema gesprochen.

Friedliches Ende einer Ehe finden: Das rät der Experte

BILD der FRAU: Eine Ehe oder Beziehung friedlich zu beenden – für viele schließt sich das leider von Vornherein aus. Warum eigentlich?

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

Eric Hegmann: Starke Emotionen wie Angst oder Ärger sorgen dafür, dass der Körper auf plötzlichen Gegenangriff oder Flucht vorbereitet wird. Im Streit erleben viele eine Art Tunnelblick, die/der geliebte Partner*in wird zum Feind, gegen die/den es sich zu wehren gilt. Damit ein Konflikt nicht zum Streit eskaliert, ist es deshalb unerlässlich, emotional und mental abzurüsten. In der Paartherapie wird deshalb versucht, zunächst die emotionale Verbindung der Partner*innen wieder zu festigen und zu sichern, um ein Gespräch auf Augenhöhe wieder zu ermöglichen.

Geht es um Trennung, ist das schwer erreichbar, denn Verlustangst – je nach individueller Ausprägung – verhindert die Deeskalation. Trennungen schmerzen und stellen viele Fragen. Vielleicht gingen der Entscheidung schmerzhafte Erfahrungen, Demütigungen, Lügen und Betrug voran.

Wer sich bedroht fühlt, handelt nicht vernunftbegabt

Wie lässt sich ruhig und zielorientiert eine Trennung verhandeln, die das Beste für Partner*innen und Kinder ermöglicht?

Durch Klarheit. Wer weiß, was er oder sie will, geht automatisch emotional stabiler in die Verhandlung und lässt sich nicht so leicht provozieren oder aus der Ruhe bringen, denn weder Flucht- noch Angriffsreflex werden so leicht getriggert. Kein Kommunikationskonzept kann etwas gegen dieses evolutionäre Programm ausrichten: Wer sich stark bedroht fühlt, handelt nicht vernunftbegabt. Wer große Angst verspürt, kann nicht auf gespeichertes Wissen zugreifen. Werden Menschen erst einmal von starken Gefühlen geflutet, schalten sie zunächst einmal auf Überlebensstrategien. Und alle die sorgen für Eskalation.

Was also können Betroffene tun, um die Emotionen in den Griff zu bekommen?

Zunächst ist es hilfreich, sich selbst über die Gründe der Trennung klar zu werden. Die Frage "gehen oder bleiben?" ist vielschichtig. Wie viel Vertrauen besteht noch zwischen den Partner*innen? Wie viel Beziehungszufriedenheit ist noch vorhanden? Was sind die gemeinsam geschaffenen Werte und gelebten Erfahrungen? Es ist sinnvoll, sich hierbei einzeln oder als Paar unterstützen zu lassen.

Viele Paartherapeut*innen bieten auch Trennungsbegleitung an und helfen dabei, die richtigen Fragen zu stellen und wichtige Entscheidungen nicht zu vergessen. Wer den Eindruck hat, gut vorbereitet zu sein, verspürt weniger Angst.

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Wer zu schnell im Trennungsprozess vorgeht, riskiert psychische Folgen wie Anpassungsstörungen

Fachlicher Beistand, Hilfe fürs gebrochene Herz: Was brauchen Paare, die sich trennen?

Ein guter und richtiger Rat bei klaren Trennungsgedanken ist, sich eine gute Anwältin/einen guten Anwalt zu nehmen. Das ist tatsächlich sehr wichtig, um die rechtlichen Aspekte einer Trennung überblicken zu können und erste Antworten auf Fragen des Unterhalts-, Sorge- und Umgangsrechts zu erhalten. Um ein gebrochenes Herz zu heilen, braucht es aber weitere Unterstützung im Trennungsverlauf. Vorher bei der Entscheidung, währenddessen zur Deeskalation in der Verhandlungsphase und danach, wenn es gilt,  loszulassen und den Liebeskummer in etwas Positives umzuwandeln.

Wer hier zu schnell ist, verbaut sich möglicherweise die Chance, in Zukunft glücklichere Verhaltensmuster in Beziehungen leben zu können. Manche Trennung kann auch zu einer psychischen Erkrankung wie einer Anpassungsstörung führen, teilweise auch mit depressiver Reaktion. Externe Unterstützung verhindert, dass dies unentdeckt und unbehandelt bleibt.

Inwiefern profitieren Paare von einer friedlichen Trennung, was die Zukunft angeht?

Eine gute Trennung stützt sich auf ihre Ressourcen und unterstützt ihre Selbstheilungskräfte. Diese benötigen Sie für die Zuversicht, dass sich aus dieser zwar momentan sehr schmerzhaften Veränderung etwas Neues, Besseres entwickeln kann. Dieser Optimismus reduziert Groll und auch Rachegefühle und wandelt diese Gedanken im besten Fall um in neue Ideen und Pläne für eine glücklichere Zukunft.

Aus meiner Erfahrung kann ich bestätigen, dass sich die Investition in eine Trennungsbegleitung grundsätzlich lohnt. Sowohl finanziell, weil die Einigung immer verträglicher abläuft, wenn die Partner*innen mit sich selbst im Reinen sind, als auch emotional, weil die Chance auf einen Neubeginn im Fokus steht und nicht der vorwurfsvolle Rückblick.

Die wichtigsten Punkte, die eine friedliche Trennung ausmachen

Lässt sich zusammenfassend sagen, was es für eine gute Trennung braucht?

  • Entscheidungssicherheit: Du weißt, was dir gut tut und dass du das in dieser Ehe nicht (mehr) erreichen kannst
  • Eigenverantwortung: Raus aus der Opferrolle! Auch und gerade wenn du betrogen wurdest
  • Schluss mit Vorwürfen – sowohl gegenüber dir selbst als auch der Partnerin / dem Partner
  • Aufbau von Vertrauen: Ressourcen und Resilienz stärken
  • Veränderungsbereitschaft: Es kann etwas nur besser werden, wenn es verändert wird
  • Den Weg zurück ins Leben nicht aus dem Blick verlieren
  • Stärke und Kraft gewinnen, um deine Kinder bei der Trennung unterstützen zu können
  • Die Perspektive auf das lenken, was möglich ist, und weg von den Dingen, die nicht lösbar waren

Die häufigsten Trennungsgründe der Deutschen waren laut einer Parship-Umfrage von 2018 übrigens diese hier:

  1. Das Gefühl, nicht genug geliebt zu werden
  2. Untreue: "Er/Sie hat mich betrogen"
  3. Zu wenige Gemeinsamkeiten
  4. Unterschiedliche Zukunftsvorstellungen
  5. Ständiger Streit

➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School. Dort gibt es noch mehr passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.

Weitere Beziehungs-Themen, für die uns Eric Hegmann bereits Rede und Antwort gestanden hat:

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