Brustkrebs: Wie sich deine Sexualität und dein Liebesleben verändern
Jährlich erkranken 69.700 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Die Behandlung stellt nicht nur eine physische und psychische Belastung gar, sondern beeinflusst auch das Sexualleben der Betroffenen. BILD der FRAU sprach mit einer Psychoonkologin über die Auswirkungen der Krankheit auf das Liebesleben.
Brustkrebs ist laut des Zentrums für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jährlich erkranken rund 69.700 Frauen in Deutschland an dieser Krebsart.
Die Diagnose und anschließende Behandlung stellt für die Betroffenen allerdings nicht nur eine enorme physische und psychische Belastung dar. Die Auswirkungen des Brustkrebses, sei es aufgrund von der Chemotherapie, Angst vor der Ungewissheit oder Ähnlichem, werden über kurz oder lang auch ihre Partnerschaft und das Sexualleben maßgeblich verändern.
Brustkrebs & Sexualität: Psychoonkologin Regina Livchits im Interview
BILD der FRAU hat mit der Psychoonkologin Regina Livchits über das Thema Brustkrebs und Partnerschaft gesprochen. Im Interview erzählt die klinische Sexologin mit eigener Praxis in Berlin, wie die Erkrankung die Partnerschaft und das Sexualleben beeinflusst.
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BILD der FRAU: Inwiefern beeinträchtigt eine Brustkrebserkrankung die Sexualität der Betroffenen?
Regina Livchits: Eine Brustkrebserkrankung kann die Sexualität der Betroffenen in vielfältiger Weise beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigungen sind äußerst individuell und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Einige Frauen bemerken möglicherweise keine oder nur geringfügige Veränderungen in ihrer Sexualität. Für andere kann die Sexualität sogar wichtiger und schöner werden, da sexuelle Aktivitäten als Möglichkeit genutzt werden, positive Gefühle zu erleben und sich abzulenken.
Dennoch ist es bei den meisten Betroffenen so, dass sie aufgrund der Behandlungen sexuelle Schwierigkeiten erfahren. Diese Schwierigkeiten können eine mögliche Langzeitnebenwirkung der Brustkrebsbehandlung sein. In einigen Fällen entwickeln sich sogar chronifizierte sexuelle Störungen mit schwer zu durchbrechendem Vermeidungsverhalten.
Dabei neigen die betroffenen Frauen dazu, sexuelle Aktivitäten und Zärtlichkeit zu meiden und sich Situationen zu entziehen, die den eigenen Körper betreffen. Zusätzlich dazu können Kontrollrituale wie Bodychecking, dysfunktionale Denkmuster, Kommunikationsprobleme in Bezug auf sexuelle Bedürfnisse und ein negatives Selbstkonzept in Bezug auf den eigenen Körper auftreten.
Es ist wichtig zu beachten, dass eine Brustkrebserkrankung nicht nur durch die Behandlungen, sondern auch durch gesellschaftliche Normen in Bezug auf Weiblichkeit und Sexualität, das psychosoziale Schönheitsideal, den Einfluss der Medien sowie persönliche Erfahrungen im Kontext der Sexualbiografie, die Qualität der Partnerschaft und andere Persönlichkeitsfaktoren beeinflusst wird.
Viele Betroffene erleben ein vermindertes sexuelles Verlangen sowie psychische Belastungen
Während des Krankheitsverlaufs können weitere Faktoren das Sexualleben beeinflussen, darunter die Beteiligung an medizinischen Entscheidungen, die gewählte Operationsmethode, die Art der Therapie, die Rekonstruktion der Brust, das kosmetische Ergebnis, Probleme im Zusammenhang mit dem veränderten Körperbild sowie andere aufrechterhaltende Faktoren wie körperliche Beeinträchtigungen (z.B. Schmerzen) und psychische Befindlichkeiten (z.B. Stress und Depressionen).
Zusammengefasst zeigt sich, dass eine Brustkrebserkrankung die Sexualität der Betroffenen in erheblichem Maße beeinflussen kann, wobei die individuellen Auswirkungen von vielen Faktoren abhängen.
Wie verändert sich das Sexleben der Betroffenen durch die Erkrankung?
Die Erkrankung an Brustkrebs kann das Sexleben der Betroffenen in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Diese Veränderungen können sehr individuell sein und hängen stark von der körperlichen Verfassung und der Art der Behandlung ab.
Häufig von Betroffenen genannte Veränderungen umfassen Schmerzen, ein vermindertes sexuelles Verlangen, Schwierigkeiten bei der sexuellen Erregung, psychische Belastungen aufgrund der Krebserkrankung, das Gefühl, nicht mehr attraktiv zu sein, psychische und physische Verunsicherung, Schamgefühle, das Gefühl, einen fremden Körper zu haben, sowie eingeschränkte bis sehr empfindliche Empfindsamkeitswahrnehmungen und Schwierigkeiten zum Orgasmus zu kommen.
Diese Veränderungen können das Sexleben betroffener Frauen erheblich beeinflussen und erfordern oft eine einfühlsame Unterstützung und Kommunikation, um die sexuelle Gesundheit und das Wohlbefinden zu verbessern.
Chemotherapie und Co können das Selbstwertgefühl der betroffenen Frauen beeinträchtigen
Haben die Medikamente und die Therapie eine Auswirkung auf die Libido? Wenn ja, inwiefern?
Sowohl die medikamentöse Therapie als auch operative Eingriffe bei Brustkrebs haben erhebliche Auswirkungen auf die Libido der betroffenen Frauen.
In Bezug auf operative Eingriffe zeigt sich, dass die gewählte Methode, sei es eine brusterhaltende Operation oder eine Brustablation mit oder ohne Rekonstruktion, das Körperbild stark beeinflusst. Dies kann zu Selbstzweifeln führen und letztendlich die sexuelle Aktivität einschränken.
Frauen, die sich einer brusterhaltenden Operation unterzogen haben, fühlten sich oft am wenigsten in ihrer Sexualität beeinträchtigt. Hingegen berichten Frauen, die umfassendere Operationen durchlaufen, von einer größeren Beeinträchtigung in ihrer Sexualität. Das Körperbild hat einen direkten Einfluss auf den Wunsch nach sexueller Aktivität und die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs. Darüber hinaus können solche Körperbildprobleme auch zu Beziehungsstörungen führen.
Die Wahl der medikamentösen adjuvanten Therapie, insbesondere die Chemotherapie, hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Libido. Die Nebenwirkungen der Chemotherapie, wie Alopezie, Übelkeit und Erbrechen, können das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und somit die Libido beeinflussen.
Haarausfall aufgrund der Behandlung kann das Körperbild stark verändern und sich negativ auf das Sexualleben auswirken. Darüber hinaus greift die Chemotherapie in die Hormonproduktion ein und verursacht viele unerwünschte Nebenwirkungen, was unter anderem zu Libidostörungen führen kann. Es können auch physiologische Auswirkungen auftreten, wie eine verminderte Lubrikation und Dyspareunie, die wiederum zu Störungen der Orgasmusfähigkeit führen.
Bei prämenopausalen Patientinnen führt die medikamentöse Therapie oft zu einer vorzeitigen Menopause, die einen Verlust der Fruchtbarkeit mit sich bringt und sich auch auf die Trockenheit im Vaginalbereich sowie eine Abnahme der Libido auswirken kann. Selbst bei postmenopausalen Patientinnen können Lubrikationsstörungen auftreten, was sich unterschiedlich auf das Sexualverhalten auswirken kann. Frauen, die aufgrund der Medikamente Scheidentrockenheit entwickeln, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, funktionelle sexuelle Störungen zu entwickeln.
Insgesamt können Medikamente und Therapien bei Brustkrebs somit in vielfacher Hinsicht die Libido beeinflussen, sei es durch die emotionalen Auswirkungen auf das Körperbild, die Nebenwirkungen der Behandlung oder die hormonellen Veränderungen im Zusammenhang mit der Therapie.
Den zweiten Teil des Interviews kannst du ab morgen ebenfalls auf BILD der FRAU lesen. Darin geht es um die Unterstützung, die Partner*innen den Betroffenen entgegenbringen können.