Neustart für Paare nach dem Familienleben

Ungewohnte Zweisamkeit: So rettet ihr eure Liebe nach dem Kinder-Auszug

Junger Mann mit Kurzhaarschnitt packt Kartons in Kofferraum, trägt kariertes Hemd und Rucksack, Eltern blicken gerührt aus Haustür.
© Adobe Stock / VAKSMANV
"Tschüss, mein Kind..." Aus Eltern werden irgendwann wieder "nur" Paare, wenn die Kinder ausziehen. Gar nicht so einfach, damit umzugehen, nach all der Zeit.

Zweisamkeit statt Familienleben: Wenn Kinder ausziehen, wird es wieder ruhig für Paare. Gar nicht so einfach, mit der neuen Situation umzugehen. Welche Gefahren, aber auch Chancen für die Beziehung daraus entstehen, weiß ein Experte.

Zeit für sich statt Wickelarien und durchwachte Nächte, statt Pubertätskrisen und Fahrdiensten zu Ballett und Fußballtraining: Wie oft haben sich Eltern endlich Ruhe im Haus gewünscht! Doch dann sind die Kinder plötzlich erwachsen, verlassen das traute Heim – und dort kehrt stattdessen eine merkwürdige Stille ein. Wo jahrelang eine Familie gelebt hat, ist plötzlich "nur" ein Paar übriggeblieben. Zweisamkeit statt Familienleben.

Empty Nest Syndrom - Was steckt dahinter?

Ohne Kind oder Kinder im Haus ist es so, wie es früher einmal war: Mann und Frau, zwei Menschen, die den Alltag miteinander teilen. Früher hatte man sich in der Partnerschaft genügt. Warum sollte also genau das nun zum Problem werden?

Ganz so einfach ist leider nicht. Denn ebenso schwer, wie es war, Eltern zu werden, ist es nach all der Zeit auch wieder, ein Paar zu werden. Der Nachwuchs wird zwar immer Teil des Lebens bleiben, aber eben nicht mehr Teil des Alltags. Und darauf sind die meisten Eltern bei dessen Auszug nicht vorbereitet. Schnell kann diese Phase zur Belastungs- und ausgewachsenen Beziehungsprobe werden.

Wenn Kinder ausziehen: wieder ein Paar, nicht mehr Eltern...

BILD der FRAU hat mit Eric Hegmann darüber gesprochen. Dem Paarberater ist die Problematik vertraut, in seiner Modern Love School bietet er zudem viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen an.

"Alle größeren Veränderungen tragen die Gefahr, dass ein Paar aus einem gewohnten Trott ausbrechen muss und das Verlassen der Routine bedrohlich und als Gefahr wahrgenommen wird. Selten stellen sich Partner*innen gleich und auch nicht gleich schnell um," weiß er aus Erfahrung.

BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, das letzte Kind ist aus dem Haus, Paare haben wieder mehr Zeit und buchstäblich mehr Raum: Wie geht man damit um?

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater aus Hamburg

Eric Hegmann: Wenn Kinder ausziehen, entsteht ein Vakuum. Da ist ja plötzlich mehr Raum und Zeit, den die Kinder zuvor beansprucht haben. Wie wird nun dieser Raum gefüllt? Wenn ein*e Partner*in damit rechnet, dass dadurch mehr Zeit fürs Paarleben frei wird, die oder der andere aber mehr Zeit für sich erwartet, kann es zu Konflikten kommen, die verhandelt werden müssen.

Ja, der buchstäbliche Raum: Wird das ehemalige Kinderzimmer zum Hobby-Raum oder zum zweiten Schlafzimmer? Oder will einer von beiden ein Gästezimmer für die Kinder einrichten? Durch diese Veränderung wird dem Paar oft bewusst, wie unterschiedlich die Bedürfnisse und Wünsche der Partner*innen sein können. Dies kann tolle neue Perspektiven schaffen, aber auch Ängste: Wie geht es jetzt weiter mit uns? Was macht das mit uns als Paar?

Nicht selten haben Kinder ja auch von Konflikten der Partner*innen abgelenkt. Nun prallen diese möglicherweise wieder ungefiltert aufeinander.

Bei der Vergangenheitsbewältigung nicht die Gegenwart aus den Augen verlieren

Kann die plötzliche Kinderlosigkeit auch ein Neuanfang sein?

Der Auszug ist natürlich gleichzeitig eine riesige Chance für das Paar: Es kann jetzt vielleicht endlich wieder etwas tun, was es zuvor den Kindern zuliebe nicht gemacht hat. Vielleicht haben sich beide Partner*innen, vielleicht auch nur eine*r, zurückgehalten.

Mit dem Auszug der Kinder ist auch eine Beziehungsphase zu Ende gegangen, und eine neue beginnt. Oft geschieht es nun, dass ein*e Partner*in in der Vergangenheit bleibt "So schön wie damals ...", während die oder der andere in der Zukunft schwelgt: "Es soll viel schöner werden ..." Dadurch sind häufig beide Partner*innen nicht bei sich in der Gegenwart und übersehen die Bedürfnisse des heute und jetzt.

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Die Mischung macht's: Bewährtes beibehalten, Neues entdecken

Erwachsene Kinder zeugen von einer eher langen Beziehung: Spielt die Dauer denn auch eine Rolle?

Das ist ja gut belegt: Je länger eine Beziehung andauert, umso weniger hoch steht statistisch die Chance einer Trennung. Die Verliebtheitsphase zeichnet sich durch ein Stück weit Unwissen darüber aus, was passieren wird. Dies motiviert die Partner*innen, eine sichere Verbindung zu schaffen und sich zu engagieren.

Ist die Bindung da, wirkt sie vielleicht nicht so spannend. Das ist aber ein Trugschluss: Wenn Paare mutig genug sind, sich über ihre Emotionen und Wünsche in neuen Lebensphasen auszutauschen, dann werden sie immer etwas Neues an ihren Partner*innen zu entdecken haben.

Was ist Ihr Tipp für Paare, wenn die Kinder aus dem Haus sind?

Ich empfehle Paaren, grundsätzlich, unabhängig von der Beziehungsdauer und der Beziehungsphase, eine Mischung aus Neuem und Bewährtem in Unternehmungen, wenn sie wieder mehr "Quality"-Zeit miteinander verbringen möchten. Neues, um einander in ungewohnten Situationen weiterhin entdecken zu können, um später weiterhin zurückblicken zu können und zu sagen: "Das haben wir gemeinsam zum ersten Mal erlebt", denn das schafft eine starke Verbindung. Und Bewährtes, um die Partnerin oder den Partner als Fels in der Brandung erleben zu können, der Sicherheit gibt.

In der Paarforschung sieht es so aus, dass Paare durch gemeinsames Schaffen von Werten – und dazu zählen auch im übertragenen Sinne die Kinder – gestärkt und gefestigt werden. Darauf lässt sich aufbauen, und vielleicht gibt dies ja jenen Hoffnung, die vor dieser Zeit eher Angst haben.

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