Polyamorie: Diese drei Menschen leben in einer Beziehung
Wenn eine Beziehung aus mehr als zwei Personen besteht, spricht man von Polyamorie. Kann das gut gehen? Drei Menschen erzählen von ihrer polyamourösen Partnerschaft – wir haben unseren Beziehungsexperten zu diesem Modell befragt.
Zwei Schuhe, zwei Ohrringe, zwei Menschen: Ein Paar wird aus zweien gebildet. Was aber, wenn eine Beziehung aus mehr als einem Paar besteht, nämlich drei oder gar mehr Partner*innen? Dann spricht man von Polyamorie.
Drei Menschen, die diese Form von Partnerschaft zumindest schon einmal gelebt haben, sprechen via Instagram darüber. BILD der FRAU hat bei einem Beziehungsexperten außerdem nachgefragt, ob eine solche Liebe auf Dauer gelingen kann.
Polyamorie: Eine Beziehung, zwei oder mehr Personen
Saskia und Marcin waren verheiratet – und glücklich. Saskia war zeitgleich mit Luise verlobt – und auch mit ihr glücklich. Alle drei haben zusammen gewohnt – und waren in dieser Konstellation ebenfalls glücklich, wobei Marcin und Luise keine intime Beziehung führten. Eine gelebte polyamore Partnerschaft, die vielen reichlich ungewöhnlich vorkommen dürfte. Genau deswegen haben alle drei schon vor Jahren auf Instagram und TikTok über ihre Beziehung zu dritt gesprochen.
Aufklären, mitteilen, zeigen, dass es noch so viel mehr gibt als ein Leben in einer klassischen Beziehung – das war und ist den dreien ein Anliegen. "Warum erwarte ich Widerstand, wenn ich sage, dass ich zwei Menschen liebe", schrieb Saskia etwa schon vor Jahren auf Instagram. Oder: "Ich werde über Gleichberechtigung sprechen, solange wir zu dritt keine gleichberechtigte Familie sein können."
Auf dem Instagram-Account von Saskia ist eine Liebeserklärung an ihre damalige Verlobte Luise ("Du bist mein Soultwin. Wir sind eins. Wir sind alles. Du warst mein Outing. Du bist und bleibst meine Frau. Du bist mein Leben") ebenso zu finden wie eine an ihren damaligen Mann Marcin ("Heute vor 5 Jahren sind wir zusammengekommen. Jeden einzelnen Tag haben wir uns geschätzt und geliebt"). Die gemeinsame Wohnung habe zwei Schlafzimmer gehabt, erzählten die drei im Interview mit "Deutschlandfunk Nova", weil Luise und Marcin zwar dieselbe Frau liebten, aber miteinander keine intime Beziehung führten. Saskia entschied immer relativ spontan, mit wem sie sich nachts das Bett teilen möchte. Ganz ehrlich: Wie war das mit Eifersucht? Die habe überhaupt keine Rolle gespielt, sagten alle drei einhellig.
Kinderwunsch: ein heikles Thema?
Dass Saskia und Luise heiraten hätten können, Saskia also in doppelter Ehe gelebt hätte, ist in Deutschland bis heute nicht möglich – eine informelle Verlobung musste den beiden fürs erste also genügen. Doch das heißt natürlich nicht, dass das die drei davon hätte abhalten müssen, Kinder zu kriegen. Was sie zu dem Thema zu sagen hatten, haben sie ebenfalls auf Instagram mitgeteilt: "Kinder. Ja, wir wollen Kinder. Wie wo wann was? Wir wissen das schon ziemlich genau, in welchem Zeitraum - ABER das bleibt noch geheim."
Ein bisschen mehr haben die drei im Video damals dann doch verraten – nämlich, dass sie sich doppelt Nachwuchs wünschten: Saskia und Luise wollten ein Kind bekommen. Die Kinder wollten sie zu dritt haben. Vielleicht würde es auch nicht mehr so lange dauern, bis es so weit wäre, deuteten sie an. Wie das dann genau bei Luise und Marcin ausgesehen hätte – immerhin waren die beiden ja kein Liebespaar –, ließen sie allerdings offen.
Heute sind Saskia und Marcin übrigens geschieden, aber in gutem Kontakt miteinander, Saskia und Luise jetzt aber miteinander verheiratet. Den Hashtag #polyamorie verwendet Saskia weiterhin in ihren Posts, Polyamorie steht in der Beschreibung ihres Accounts, ihre Frau und sich selbst beschreibt sie als "nicht-monogame Personen".
Ist Polyamorie ein Modell, das funktionieren kann? Das sagt der Experte dazu
Saskia, Luise und Marcin schienen glücklich in ihrer Beziehung zu sein – aber bildeten die drei eher eine Ausnahme? Immerhin ist zumindest deren beschriebene Dreierkonstellation in die Brüche gegangen. Ist Polyamorie ein Modell, das wirklich gut gehen kann? BILD der FRAU hat Eric Hegmann, Paarberater, Parship-Coach und Gründer der Modern Love School, in der er Online-Kurse rund um Beziehungsthemen anbietet, um seine Meinung gebeten.
BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, eine Liebe zu dritt oder gar mehr – hat das wirklich eine Zukunft?
Eric Hegmann: Eine polyamore Beziehung kann gut gehen, das zeigen ja durchaus die Erfahrungen. Allerdings denke ich, dass diese Beziehungsform nicht für alle Menschen gleich gut geeignet ist. Wer beispielsweise eher verlustängstlich ist und in der Beziehung zu Eifersucht neigt und ganz und gar mit der Partnerin bzw. dem Partner verschmelzen möchte, wird mit einem offenen Beziehungsmodell kaum zufrieden sein können. Alle Beziehungen spiegeln ja den inneren Widerstreit zwischen dem Wunsch nach Verbindung auf der einen Seite und dem Bedürfnis nach Freiraum auf der anderen.
Das scheint mir für viele Paare schon ein anspruchsvoller, täglicher Kampf. Diesen dann zu dritt auszufechten, dürfte für eine große Zahl an Menschen eher unattraktiv und vielleicht sogar abschreckend wirken. Gleichzeitig versuchen immer mehr Paare, ihr Beziehungsmodell neu zu verhandeln und beispielsweise zu öffnen. Aber eben nicht wir früher, heimlich und mit einer Affäre, sondern transparent und ehrlich.
Viele unterscheiden zwischen einer körperlichen und einer emotionalen Treue, erlauben sich einzeln und gemeinsam sexuelle Erfahrungen mit anderen. Meist ziehen sie aber eben bei allem, was über das rein Körperliche hinausgeht, eine Grenze, um die Paarbeziehung zu schützen. Eine polyamore Beziehung erlaubt auch emotionale Kontakte zu anderen. Für die meisten Menschen hört jedoch hier die Bereitschaft, die/den Partner*in zu teilen, auf.
Ohne absolute Ehrlichkeit kann es jedenfalls nicht funktionieren
Ist Polyamorie für manche eher ein Abschnitt im Leben?
Jede offene Beziehung, abgesehen von der verheimlichten Affäre natürlich, benötigt ein großes Maß an Vertrauen der Partner*innen in sich und ineinander, denn es gilt ja Liebe und Zuneigung, Intimität und Zeit zu zweit zu teilen und dies auszuhalten. Ich beobachte vor allem jüngere Paare, die solche Beziehungsmodelle ausprobieren und testen wollen. Wie erfolgreich und wie haltbar diese sind, werden wir erst rückblickend bewerten können. Mein Eindruck ist: Während offene Beziehungsmodelle, in denen es nicht um körperliche Treue geht, zunehmen, bleiben polyamore weiterhin die Ausnahme und eher auf einen Zeitraum des Testens beschränkt.
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Wo sehen Sie die größten Hürden und Herausforderungen?
Ein polyamore Beziehung kann meiner Erfahrung nach nicht aus einer Affäre entstehen, die sozusagen nachträglich legalisiert und weitergeführt werden soll. Doch mit solchen Altlasten und Misstrauen lässt sich keine neue Beziehung führen, die ohne unbedingte Ehrlichkeit nicht funktionieren kann.
Damit ein Paar nicht scheitert, müssen außerdem beide dieses Beziehungsmodell wünschen – wenn nur eine*r das tut, kann das mittel- und langfristig nur zu Verletzungen führen.
Kennen Sie polyamouröse Beziehungen, die funktionieren?
Ja. Und alle haben gemeinsam, dass die Partner*innen immer wieder neu ihre Beziehung verhandeln. Darin unterscheiden sie sich zwar nicht von anderen Partner*innen, doch es kommen natürlich bei drei pder mehr Personen mehr unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse auf den Tisch als bei zweien.
Lies hier auch ein Interview mit einer Beziehungs-Coachin zum Thema Polyamorie: Wie riskant ist sie? Oder hat es Vorteile, mehrere zu lieben?
➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School. Dort gibt es auch passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.
Ein Glück gibt es noch so viel mehr als die klassische Monogamie – und ein Glück sind wir zumindest hier und heute in der glücklichen Lage, uns weitestgehend frei zu entscheiden, wie wir lieben und leben wollen. Auch diese Modelle haben ihre Daseinsberechtigung:
- In konsensueller Nicht-Monogamie leben: Ist das schon eine offene Beziehung?
- Promiskuität: Sex mit häufig wechselnden Partner*innen
- Fiktosexuell: Mit wem oder was man dann verheiratet ist...