Beim Solo-Sex kein Ende finden: Warum Gooning gefährlich werden kann

Ist Selbstbefriedigung ein Thema, über das heutzutage ganz selbstverständlich gesprochen wird? Tauschen Menschen sich über ihre Masturbations-Gewohnheiten genauso aus, wie sie über das Wetter sprechen? Wohl kaum. Dabei gehört es für viele zu einem erfüllten Sex-Leben dazu – und es gibt auch nichts, was dagegen spräche.

Nun ist allerdings mehr und mehr über eine Vorgehensweise zu lesen, die sich Gooning nennt und bei der Menschen sich mitunter über Stunden selbst befriedigen, kein Ende zu finden scheinen. Auf dem Portal Vice beschreibt es ein junger Mann so: "Man gelangt in einen tranceartigen euphorischen Zustand, verliert sein Gefühl für Zeit und Realität, lebt wahrhaftig im Jetzt."

Ist diese Endlos-Beschäftigung noch gesund? Oder birgt Gooning auch Gefahren? Leidet beispielsweise der Sex mit der Partnerin oder dem Partner, so es sie oder ihn gibt, nicht darunter? BILD der FRAU hat mit Eric Hegmann darüber gesprochen: Was der Paartherapeut in Hamburg mit eigener Praxis und Co-Gründer der Modern Love School, einer eLearning-Plattform mit Onlinekursen rund um die Liebe, von der Sex-Praktik hält.

Sex-Praktik Gooning: gefährlich oder harmlos? So bewertet ein Experte die Dauer-Selbstbefriedigung

Lieber Herr Hegmann, was bedeutet Gooning?

Eric Hegmann: In der Sexualität beschreibt Gooning einen tranceähnlichen Zustand, der durch dauerhafte Masturbation erreicht wird. Meist handelt es sich dabei um Männer, die visuelle Pornografie nutzen, um der Realität zu entfliehen, ähnlich einem Drogen-Trip. Gooning und Konsum von Drogen wie Alkohol oder bewusstseinsverändernde Substanzen gehen häufig zusammen.

Ist Gooning gefährlich?

Zunächst ist ein privater Sex-Trip etwas, das hilft, den eigenen Körper kennenzulernen, Entspannung und Befriedigung zu erleben – und schadet nicht. Aber auch hier macht die Dosis das Gift. Unser Gehirn merkt sich recht gut, was sich gut anfühlt, und stellt bei Wiederholung entsprechende Verknüpfungen her. Wenn die Erfahrung dann mit Drogen verstärkt werden, kann sich eine Gewöhnung einstellen.

Nämlich dann, wenn bestimmte eingeprägte Bilder und Abläufe Erregung nicht mehr nur unterstützen, sondern auch für Erregungszustände oder auch Erreichen des Höhepunkts mehr und mehr notwendig werden. Das muss nicht, aber es kann Einfluss auf die Paar-Sexualität nehmen. Forscher*innen gehen davon aus, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene gefährdet sind, sich durch exzessiven Pornografie-Konsum für bestimmte Reize sozusagen zu konditionieren.

Gooning kennt kein Risiko wie in einer realen erotischen Begegnung

Warum ist Gooning verführerisch?

Paar-Sexualität benötigt auch Mut und Offenheit, sich verletzlich zu zeigen, die gleichberechtigten Bedürfnisse der Partnerin erfüllen oder verhandeln zu wollen, Risiken einzugehen. Die Belohnung ist eine tiefe Verbindung und Befriedigung durch die Erfahrung einer erfolgreichen und positiven Kollision von unterschiedlichen Wünschen. Durch diese reifen Paare in ihrer gemeinsamen und individuellen Sexualität. Gooning benötigt solchen Mut nicht, da gibt es kein Risiko wie in einer realen erotischen Begegnung, ist vergleichsweise leicht und einfach zu erhalten. Dabei kann ein Reife- und Entwicklungsprozess verhindert werden.

ANZEIGE: Jeder kann Liebe lernen! Hier finden Sie alle Online-Kurse sowie Tests für Paare und Singles der Modern Love School rund um Partnersuche, Beziehung und Liebeskummer.

Wie kann ich mich von Gooning lösen?

In der Sexualtherapie frage ich gerne: Was ist der Sex, der sich für Sie lohnt, den Sie haben wollen? Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass es für befriedigenden Sex eines bestimmten Aufwandes bedarf: Partner oder Partnerin, Zeit und Gelegenheit, Leidenschaft und Libido beispielsweise. Je höher der Aufwand und das Risiko, umso größer muss die Befriedigung erlebt werden, damit das attraktiv bleibt.

Ein Verbot wird immer als Angriff auf die Selbstbestimmung gewertet

Gooning scheint das einfach zu erreichen, aber kann Menschen mittel- und langfristig viel mehr einschränken als Möglichkeiten schaffen. Das könnte ein Aspekt sein, eine Veränderung umsetzen zu wollen. Aber das ist ein Thema für die individuelle oder auch Paar-Sexualtherapie. Alleine werden Betroffene, ähnlich wie bei einer Suchterkrankung, häufig nicht weiterkommen.

Sind häufige Masturbation und regelmäßiger Pornokonsum gleich Gooning?

Nein. Ich habe für Parship eine Studie begleitet, nach der für drei Viertel der Deutschen Masturbation völlig normal und Teil der Sexualität ist, die ausgelebt werden möchte. Ich warne also davor, solches Verhalten gleich zu pathologisieren. Vielmehr würde ich raten, einen Blick auf die Bedürfnisse dahinter zu werfen – und wie diese noch erfüllt werden können.

Mein Ansatz ist: weniger der Verbot von etwas, das wird als Angriff auf die Selbstbestimmung gewertet – und selbstbestimmte Sexualität ist nicht diskutabel, sondern es geht um eine Erweiterung von Optionen und Möglichkeiten. Was gibt es noch, was betroffene Personen als befriedigend erleben? Was können sie zusätzlich entdecken und vielleicht auch noch lernen dafür? Das sind zielführende Fragen für beide Partner*innen.

➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann finden Sie hier – und hier geht's zur Modern Love School. Dort finden Sie noch mehr passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.

Mit Eric Hegmann haben wir bereits viele Themen rund um Liebe, Sex und Beziehungen besprochen. Hier sind einige davon:

• Warnzeichen in Beziehungsphasen: Love Bombing
• Plötzlich einsam: Was tun, wenn die oder der Liebste stirbt?
• Warum uns Trennungen so schwer fallen