300 statt 30 Eier: Das traurige Schicksal der Legehennen

Eier gehören zu Ostern wie der Hase, ganz klar. Was für ein trauriges Dasein die sogenannten Legehennen aber fristen müssen, um die benötigten Mengen "liefern" zu können, wollen viele leider nicht wahrhaben.
Beim Stichwort Qualzucht fallen den meisten in der Regel Hunderassen wie Mops und Dackel, vielleicht noch Bulldoggen ein. Aber wusstest du auch, dass Hühner, wie wir sie heute gemeinhin kennen, dazu zählen? "'Normale' Hennen gibt es heutzutage kaum mehr, weil auch die nicht-Eier-legenden Rassen auf bestimmte Merkmale qualgezüchtet wurden, um beispielsweise für die Mast nach kürzester Zeit möglichst viel Fleisch anzusetzen", erklärt Lisa Kainz. Die Agrarwissenschaftlerin ist Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie bei der Tierschutzorganisation PETA. Warum Legehennen so leiden müssen, wie sie in der Regel gehalten werden, und was Menschen tun können, um ihr Schicksal zu mildern, erklärt die Expertin im Interview mit BILD der FRAU.
Das traurige Dasein von Legehennen
BILd der FRAU: Liebe Frau Kainz, was genau ist eine Legehenne im Unterschied zu einer normalen Henne?

Lisa Kainz: Hühner, die heute in der Eierindustrie ausgebeutet werden und über 300 Eier im Jahr legen, stammen ursprünglich vom Bankvia-Huhn ab. Dieses Ur-Huhn legte zur Fortpflanzung nur etwa 20 bis 30 Eier im Jahr. Bei sogenannten Legehennen, wie wir sie heute kennen, handelt es sich um Qualzüchtungen, die dafür ausgenutzt werden, die Menschen mit möglichst vielen und großen Eiern zu versorgen. Zuchtbedingt ist es für die Tiere gar nicht möglich, weniger Eier zu legen. Auch nicht, wenn sie dadurch krank werden und ausgezehrt sind. Oft ist nach der etwa einjährigen Legeperiode das Legeorgan stark entzündet – jedes weitere gelegte Ei muss dem Tier unfassbare Schmerzen bereiten.
Und was sind Elterntierfarmen? Hört sich ja erstmal positiv an…
Der Begriff Elterntierfarmen ist, wie Sie schon andeuten, beschönigend und irreführend. Denn diese sind nur dafür da, kontinuierlich Nachschub an Legehennen "zu produzieren". Auch dort dürfen Hennen ihre Eier nicht ausbrüten, das wäre unwirtschaftlich. Die Küken kommen stattdessen in Plastikkisten der Brütereien anonym zur Welt und werden ihre Eltern nie kennenlernen. Es gibt nur wenige gesetzliche Bestimmungen für Elterntierfarmen, somit herrschen dort häufig katastrophale Zustände: Die biologischen Elterntiere leben eingepfercht in kargen, engen Hallen, oft inmitten ihrer Exkremente.
Augenwischerei: Käfighaltung wird jetzt beschönigend "Kleingruppenhaltung" genannt
Wie sehen die unterschiedlichen Haltungsformen aus?
In Deutschland unterscheiden wir zwischen
- Käfighaltung, die nun beschönigend "Kleingruppenhaltung" genannt wird,
- Bodenhaltung,
- Freilandhaltung und
- Biohaltung.
Viele Menschen denken, bei uns gäbe es keine Käfighaltung mehr, doch ist dies leider ein Irrglaube. Eine "ausgestaltete" Form ist in Deutschland weiterhin erlaubt. Lediglich Sitzstangen, ein kleiner Scharrbereich und ein Bereich zur Eiablage muss in den sonst kargen Käfigen vorhanden sein. Eier aus Käfighaltung werden oft in verarbeiteten Produkten wie Keksen oder Nudeln verwendet oder in der Gastronomie verarbeitet.
Mehr als 60 Prozent aller Hühner lebt in Bodenhaltung. Je nach Haltungssystem zwängen sich zwischen neun und 18 Hennen auf einen Quadratmeter. Auf ein Stallabteil kommen schon mal bis zu 6000 Tiere. Normalerweise leben Hühner in kleinen Familienverbänden von etwa 20 Tieren. Dieses Gedränge, der Bewegungsmangel, artwidrige Nahrung und Eintönigkeit verursachen ein Leben voller Qual.
Auch die Freilandhaltung ist nicht das, was man sich darunter vorstellt: Die Ausläufe sind meist nicht mehr als karge Grasflächen, die den Tieren keine Überdachung, Büsche oder sonstigen Schutz bieten. Aus Angst vor Beutegreifern aus der Luft oder am Boden meiden es die Fluchttiere, sich schutzlos im Freien aufzuhalten und bleiben überwiegend und genauso beengt wie in der Bodenhaltung im Stall mit kotverdreckter Einstreu.
Eine Studie aus der Schweiz hat gezeigt, dass fast 100 Prozent der Hühner unter Knochenbrüchen, vor allem des Brustbeins, leiden. Bei manchen Tieren war es bis zu elf Mal gebrochen. Oft bleibt das unbemerkt und stets unbehandelt. Vor dem Hintergrund, dass weltweit fast ausschließlich die gleichen Hühnerrassen ausgebeutet werden, lässt sich das Ergebnis der Studie global übertragen – auch auf Freiland und Biobetriebe.
Am Ende jeder Haltungsform steht der leidvolle Transport zum Schlachthof.
Worauf sollten Verbraucher*innen achten, wenn sie Eier kaufen? Nur weil "Bio" draufsteht, heißt das ja noch nicht, dass die Hennen gut gehalten werden.
Richtig! Und die Redensart vom "glücklichen Huhn" ist leider ein Schwindel. Auch in der Biohaltung leiden die Hühner. Zwar muss den Tieren ein Auslauf zur Verfügung stehen, doch auch der wird, wie gesagt, nicht von allen Tieren genutzt. In einem einzigen Stallabteil können bis zu 3.000 Hennen gehalten werden. Für sie bedeutet das großen Stress und führt auch zu blutigen Pickattacken. Die Hühner in der Biohaltung stammen meist aus den gleichen Elterntierfarmen oder Brütereien und werden in den gleichen Schlachthäusern getötet wie ihre Leidensgenossinnen aus anderen Haltungssystemen. Letztlich erachten auch Betreiber*innen von Biohöfen Hennen nicht als empfindsame Individuen, sondern als Produktionsgüter. Denn auch Biobetriebe müssen wirtschaftlich handeln, konsequentem Tierschutz steht das im Weg.

Wer Hennen und ihren Küken wirklich helfen möchte, achtet darauf, vegane Produkte zu kaufen und Hühner nicht als Eierlieferantinnen zu sehen, sondern als das, was sie sind: fühlende Lebewesen mit eigenem Charakter, Bedürfnissen und dem Willen zu leben.
→ PETA Deutschland e.V. ist Deutschlands größte Tierschutzorganisation, die sich für die Rechte aller Tiere einsetzt. Ihr Ziel ist es, jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen. Um das zu erreichen, setzt PETA sich für die Aufdeckung von Tierquälerei, die Aufklärung der Öffentlichkeit und die Vermittlung einer achtsamen und respektvollen Lebensweise ein.
- Ein Kleintier zu schenken – viele machen das ja gerne in Form von einem Häschen zu Ostern: Ist das eine gute Idee? Lies mal, was eine Expertin dazu sagt.
- Überhaupt sollten Tiere generell nicht verschenkt werden – noch mehr Argumente, die dagegen sprechen, hat eine weitere Expertin.
- Tiere zu schützen und auf ihr Wohl zu achten: Das sollten wir viel häufiger tun. Und es ist auch so einfach, täglich tierfreundliche Entscheidungen zu treffen, sagt Tierschützerin und PETA-Gründerin Ingrid Newkirk unter anderem im Interview mit BILD der FRAU.