Sie hätten allen Grund dazu...

Sind kleine Hunde wirklich oft frecher als große?

Kleiner, aggressiv wirkender Hund auf einer Decke, der die Zähne fletscht und drohend knurrt. Er scheint sich in einer Verteidigungshaltung zu befinden und versucht, eine menschliche Hand abzuwehren.
© Getty Images / Piter1977
Je kleiner, desto dreister? Minihunden wird nachgesagt, oft ein freches, mitunter aggressives Verhalten an den Tag zu legen. Stimmt das?

Kleine Hunde sind so süß und so niedlich? Stimmt – aber oft sind sie auch ganz schön frech. Woran liegt es eigentlich, dass häufig gerade Minihündchen ordentlich auf Krawall gebürstet sind?

Kleine Hunde haben Hochkonjunktur: Sie sind einfach extrem niedlich, können uns nicht an der Leine hinter sich herschleifen – und viel Platz brauchen sie auch nicht. Praktisch. Allerdings wird Minihunden auch nachgesagt, sie seien oft frecher als ihre großen Artgenossen, reagieren aggressiver und kläffen auch mehr. Alles nur Vorurteil? Oder was ist dran an dieser These?

Hund bellt andere Hunde an: Das kannst du tun!

Kleine Hunde sind oft frech: Stimmt das eigentlich?

Kennst du das: Du beobachtest, wie ein kleiner Hund einen deutlich größeren anknurrt, ankläfft, ja mitunter sogar angreift, obwohl der große ganz ruhig bleibt? Dieses Verhalten erweckt bei uns den Eindruck, dass kleine Hunde sich ganz schön aufspielen und sich größer fühlen, als sie tatsächlich sind.

Diese Situation gibt es tatsächlich gar nicht mal so selten – hat aber in der Regel einen einfachen Grund: Es liegt oft daran, dass kleine Hunde Angst vor größeren Artgenossen haben – die versuchen sie, durch aggressives Auftreten, Bellen oder Schnappen zu übertünchen.

Ein als Fachmann eingestufter User auf gutefrage.net sagt zu dem Thema: Kleine Hunde haben es nicht leicht. Man stelle sich einfach mal die Perspektive vor – etwa indem man sich in einer Fußgängerzone auf den Boden legt, während die Leute um einen rumlaufen. Dann wisse man, wie sich so ein Hund fühlt: "Alles ist riesig, alles ist bedrohlich." So sei es ja kein Wunder, dass sie nicht nur viel bellen, sondern auch gleich viel "aggressiver", um z. B. andere Hunde einzuschüchtern. "Sie haben keine andere Möglichkeit. Sie sind ja immer die unterlegenen."

Tierärztin Dr. Jasmin Grau  | © Jasmin Grau
Foto: Jasmin Grau
Tierärztin Dr. Jasmin Grau hat eine Tierarztpraxis in Senden

Das sagt die Expertin: BILD der FRAU hat bei Tierärztin Jasmin Grau nachgefragt, wie man am besten mit den kleinen Rabauken umgeht: "Nett und liebevoll erklären, dass sie nicht die Chefin bzw. der Chef sind. Da kommt es individuell auf jeden Hund an, wie man das am besten macht. Dem Hund möchte man ja nicht seinen Charakter oder seine Persönlichkeit nehmen, daher muss man einen Spagat für das entsprechende Tier ganz individuell finden und auch durchhalten! Einfühlungsvermögen der Tierbesitzer*innen ist gefragt, das ja sowieso immer mitspielen sollte."

Punkt 1: Kleine Hunde haben es von Haus aus schwerer als große. Sie müssen sich behaupten und mit ihrer Angst umgehen – das tun sie hundetypisch, indem sie aggressiv und laut reagieren.

Freche Hunderassen – gibt es die überhaupt?

Hunde sind nicht gleich Hunde: Je nach Rasse unterscheiden sie sich in Größe und Schwere, Form und Farbe, aber auch Charakter und Prägung. So ist etwa ein klassischer Hütehund darauf ausgelegt, eine Herde zusammenzuhalten und deren Bewegungen zu lenken. Als Familienhunde werden solche bezeichnet, bei denen der Jagdinstinkt nicht allzu ausgeprägt ist und die deshalb gut mit Kindern zusammen leben können. Aber gibt es eben auch die frechen Hunde?

Als frech werden in der Regel selbstbewusste Hunde bezeichnet, die klare Regeln und Führung in der Erziehung brauchen, wenn sie Früchte tragen soll. Solche Frechdachse gibt es schon – allerdings bei Hunden aller Größe. happyhunde.de hat einige aufgelistet, darunter auch kleine Hunde, etwa

  • Dachshunde
  • Bulldogge
  • Chihuahua
  • Jack Russel Terrier
  • Yorkshire Terrier

Das sagt Expertin Jasmin Grau: "Oftmals ist es ein Terrier oder ein Terrier-Mix, der frecher oder manchmal sogar aggressiv sein kann – im Gegensatz zu anderen Hunderassen. Terrier sind in der Regel sehr charakterstarke Hunde und haben einen eigenen Kopf bzw. auch einen gewaltigen Dickschädel. Wenn man dem Terrier nicht seine Grenzen aufzeigt und ihm erklärt, dass man selbst einen größeren Dickschädel hat, dann zeigt er schnell und vehement, wer im Hause das Sagen hat."

Punkt 2: Es gibt Hunderassen, die schwerer zu bändigen sind als andere. Solche selbstbewussten Hunde können schon auch als frech bezeichnet werden. Es gibt sie in klein, das stimmt – aber auch in groß.

Welche Rolle spielt die Erziehung?

Kommen wir zum ausschlaggebenden Punkt, was freche kleine Hunde angeht: Den allergrößten Part spielt dabei nämlich, wie so oft, der Mensch. Martin Rütter sagt zum Thema kleine Hunde: "Gerade wenn sie als Welpe einziehen, sind sie noch winziger und scheinen geradezu zerbrechlich. Da ist es nachvollziehbar, wenn es den Menschen schwerfällt, auch bei den Kleinsten Regeln aufzustellen, Strukturen zu etablieren und Verbote auszusprechen. Genau dieser Punkt führt auch häufig dazu, dass die Kleinen bereits von Beginn an besonders bemuttert werden und gerne viele Freiheiten zugesprochen bekommen." Die Menschen würden es sicherlich gut meinen, aber das Gegenteil bewirken: unklare Strukturen und fehlende Regeln würden meist dazu führen, dass der Hund sich nicht an seinem Menschen orientieren kann, er ist gestresst.

Der Hunde-Trainer fährt fort: "Die Hunde sind überfordert und müssen früh lernen, die Verantwortung zu übernehmen, und dies nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Menschen und die Sicherung des Territoriums." Häufig sei den Zwergen-Besitzer*innen gar nicht bewusst, dass klare Regeln und Strukturen auch für die Kleinen unumgänglich sind.

Es ist im Zweifel sogar die größere Herausforderung, auch Minihunde als Hunde zu behandeln und sie entsprechend zu erziehen, weil viele leider dazu neigen, sie zu verniedlichen und wie Kuscheltiere zu behandeln. Dem Selbstbewusstsein eines Hundes tut es aber gar nicht gut, wenn er sich benehmen darf, wie er wil, Frauchen oder Herrchen ihn bei Problemen außerdem schnell auf den Arm nehmen. Und: Die Fellnase dafür zu loben, dass sie einen großen Hund anbellt oder anknurrt, ist absolut kontraproduktiv, denn nur weil ein Hund klein ist, darf er sich noch lange nicht aufführen, wie er will.

Das sagt Expertin Jasmin Grau: "Menschen sind oft nicht konsequent und geben dem Hund einfach zu viel Freiraum, dass er das Gefühl hat, die Sachen selbst in die Hand nehmen zu müssen und selbst Entscheidungen zu treffen. Und dann sind die Hunde ja meistens klein, süß, intelligent und machen tolle Kunststückchen nebst unwiderstehlichem Hundeblick – dann lässt man alles durchgehen. Das ist einfach ein Problem: Die Hunde sind am Ende die Leidtragenden, dabei haben die Besitzer*innen es einfach 'verbockt'."

Punkt 3: Ob ein Hund frech ist oder nicht, hängt nur marginal von dessen Größe oder Rasse ab – ausschlaggebend ist dabei immer seine Erziehung. Und die nehmen viele Besitzer*innen bei kleinen Hunden leider nicht ernst genug.

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