Einsam im Alter: Was sich dagegen tun lässt
Alte Menschen sind zu oft zu viel alleine. Den wenigsten gefällt das – es ist aber nicht so einfach, das zu ändern. Wie es gelingen kann, auch im Alter den sozialen Anschluss nicht zu verpassen, was die Betroffenen selbst dazu beitragen können – und was sich ändern muss.
Paare müssen sich darauf einstellen: Irgendwann wird eine*r von beiden im Alter alleine sein. Das ist bitter und schmerzlich, muss aber nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit sein: Auch Menschen im fortgeschrittenen Alter haben schließlich oft noch weitere Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde sowie Bekannte, sind vielleicht noch sportlich unterwegs oder sonstwie aktiv.
Nicht selten aber fühlen sich ältere Menschen trotz allem einsam. Beim Deutschen Alterssurvey (DEAS) kam heraus: Im Sommer 2020 lag der Anteil einsamer Menschen im Alter von 46 bis 90 Jahren bei knapp 14 Prozent und damit 1,5-mal höher als in den Befragungsjahren 2014 und 2017. Die Tendenz dürfte steigend sein.
Alt und alleine: Was lässt sich gegen Einsamkeit im letzten Lebensabschnitt tun?
Was macht Einsamkeit mit Menschen, gerade mit älteren? Wie lässt sie sich umgehen? Was können sie selbst dagegen tun, welche Hilfestellungen braucht es?
Für die meisten ist es ein Segen, wenn sie in ihrer vertrauten Umgebung, in ihrer Wohnung bleiben können. Ein Notrufsystem mit einem Hilferuf-Knopf kann dabei wertvolle Unterstützung leisten – nicht nur, weil sie sich so sicherer fühlen, sondern weil ihnen auch bei Alltagsfragen geholfen wird, sie über das System Ansprechpersonen haben.
Doch auch die voranschreitende Digitalisierung ist für ältere Menschen häufig eine unüberwindbare Hürde. Dem will sich Dagmar Hirche mit ihrem Verein "Wege aus der Einsamkeit" entgegenstellen. Auf der Webseite heißt es: "Armut, Krankheit und Einsamkeit sowie digitale Teilhabe sind leider Themen im Alter, die zu selten öffentlich gemacht werden und Betroffene oftmals vor eine scheinbar ausweglose Situation stellen."
Was genau lässt sich dagegen tun? Wir haben bei Dagmar Hirche, Gründerin des Vereins, nachgefragt. Für ihre großartige ehrenamtliche Arbeit hat sie bereits das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen und war außerdem eine der Preisträgerinnen der GOLDENEN BILD der FRAU im Jahr 2011.
Oft ein Grund für Einsamkeit: Altersarmut – Interview mit Dagmar Hirche
BILD der FRAU: Liebe Frau Hirche, warum fühlen sich gerade viele alte Menschen einsam?
Dagmar Hirche: Viele haben einfach kaum noch Gesprächspartner*innen und wenige Kontakte, mit denen man etwas unternehmen kann. Oft versterben viele Freundinnen und Freunde sowie Verwandte im Alter, eine schleichende Einsamkeit stellt sich ein. Eine große Rolle spielt auch die Altersarmut: Können ältere Menschen sich keinen Kaffee oder nicht die Fahrkarte dorthin leisten, ist eine Teilhabe an Veranstaltungen oft nicht möglich.
Welche psychologischen Auswirkungen hat soziale Isolation auf ältere Menschen?
Depressionen, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit – man verkriecht sich immer weiter und findet keinen Schwung, rauszugehen.
Wie können ältere Menschen ganz konkret soziale Kontakte knüpfen?
Der erste Schritt ist oft der schwierigste: etwa sich in der Nähe einen Seniorentreff, Kirchengemeinden, einen Sportverein oder anderen Verein zu suchen und dort an Aktivitäten teilzunehmen.
Oft muss man dort häufiger hingehen, um dann neue Kontakte zu knüpfen. Auch ein Ehrenamt kann aus der Einsamkeit helfen – es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren.
Wie sieht es mit sozialen Netzwerken aus?
Menschen über 65 sind nicht so in den sozialen Netzwerken aktiv – wer aber hier aktiv ist, kann sich je nach Interesse Gruppen suchen und dort erst digital und vielleicht später auch analog zu einem Treffen gehen.
"Überrascht, wie aktiv Menschen zwischen 65 und 95 Jahren an Zoom-Veranstaltungen teilnehmen"
Wie können digitale Technologien genutzt werden, ohne dass alte Menschen mit ihnen überfordert sind?
Digitale Technologien können helfen, neue Kontakte zu schließen, wenn man an digitalen Veranstaltungen teilnimmt. Wir haben das während des Corona-Lockdowns eingeführt und sind immer noch überrascht, wie aktiv Menschen zwischen 65 und 95 Jahren an unseren Zoom-Veranstaltungen teilnehmen, sich dort kennenlernen, austauschen und auch bei anderen Vereinen nun digital teilnehmen.
Wir haben uns am Anfang ganz viel Zeit genommen, Interessierten am Telefon in Eins-zu-Eins Schulungen beizubringen, wie Zoom zu handhaben ist. Wir haben Erklär-Videos online gestellt und so vielen die Ängste genommen.
Nicht selten sperren sich ältere Menschen auch dagegen. Was lässt sich dagegen tun?
Es nützt nichts zu sagen: "Das ist doch ganz einfach!" Denn das ist es für Menschen, die digital einsteigen, eben nicht. Es nützt nichts pauschal zu sagen: "Die digitale Welt kann so viel." Besser ist es, zu fragen: "Was interessiert Dich?" Dann zu zeigen, was digital möglich ist, das Ganze auch mit vielen praktischen Beispielen üben – und das mit extrem vielen Wiederholungen! Und schließlich in kleinen Schritten weitere Wege aufzuzeigen.
Was muss sich Ihrer Meinung nach in der Gesellschaft ändern?
Es muss überall kostenfreie digitale Bildung geben. Firmen, Versicherungen, Behörden, Gesundheitswesen: Alle, die digitale Dinge anbieten, müssen auch digitale Schulungen anbieten, denn nur so können wir auch digitale Einsteiger*innen mitnehmen.
Ich wünsche mir außerdem, dass es bei allen Geräten den Einfach-Modus gibt, und dass man, wenn man will, irgendwann in den Fortgeschrittenen- oder gar Expert*innen-Modus wechseln kann. Denn meist werden nur wenige Nutzungsmöglichkeiten tatsächlich von den Anwender*innen genutzt.
Und: Es muss in öffentlich-rechtlichen Sendern ein Programm für digitale Bildung für alle geben!
→ Hier geht's zu der Webseite des Vereins "Wege aus der Einsamkeit"
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