Das sind die häufigsten versteckten Nährstoffmängel!
Haarausfall, Dauer-Müdigkeit, ständige Erkältungen – Beschwerden, die so diffus wie häufig sind. Das kann ein Hilferuf des Körpers nach Nährstoffen sein.
Fast jede und jeder hatte schon einmal Phasen mit unerklärlichen Zipperlein, deren unzählige mögliche Ursachen auch ärztlich abgeklärt werden sollten. Oft sind jedoch keine schweren Grunderkrankungen, sondern nur kleine Mängel bei der Versorgung mit Vitaminen oder Mineralien für weitreichende spürbare Folgen verantwortlich.
Nährstoff- und Vitaminmangel zeigt sich vielfältig
"Vitaminmangel? Aber ich ernähre mich doch so gesund!" – diesen Satz höre ich von vielen Patienten und v. a. Patientinnen, die wegen ‘komischer‘ Beschwerden zu mir in die Praxis kommen. Das mag verrückt klingen, aber das gibt es: Vitaminmangel trotz gesunder Ernährung", hat die Internistin Dr. Helena Orfanos-Boeckel festgellt, die sich in ihrer Praxis in Berlin auf Stoffwechsel- und Präventionsmedizin spezialisiert hat. Das bedeutet, sie hilft Menschen nicht nur gesund zu werden, sondern auch gesund zu bleiben.
Was für eine große Rolle Vitamine, Mineralien und Hormone aller Art dabei spielen, lernte sie als Spezialistin für Nierenkrankheiten schon früh bei der Behandlung schwerkranker Menschen in der Klinik. Dieses Wissen lässt sich auch auf Menschen anwenden, die "nur" ein bisschen krank oder ausgelaugt sind und wurde im aktuellen Buch „Nährstoff-Therapie“ (Trias Verlag) zusammengefasst. Darin erklärt die Präventionsmedizinerin ausführlich, wem welche Nährstoffe besonders häufig fehlen und welche Einflüsse unsere modernen Lebensgewohnheiten auf unsere Versorgung haben.
Wer braucht überhaupt zusätzliche Nährstoffe?
"Frauen fühlen sich meist etwas früher als Männer nicht mehr wohl. Ja klar, sind das die Hormone, das Alter und der Stress, na und? Da kann man was machen, das muss und soll nicht ertragen werden, denn jede Nacht, die nicht geschlafen wird, und jeder Tag, an dem wir nicht in unserer Kraft sind, summieren sich. Auf Dauer leidet der Körper und wird krank", stellt die Stoffwechsel-Expertin fest.
Paradox, denn wir haben in Deutschland wahrlich keinen Nahrungsmangel, wir haben eine riesige Auswahl und Mengen, die den tatsächlichen Bedarf so weit überschreiten, dass sogar überall Essen weggeworfen wird. Allerdings ist das, was wir essen, nicht unbedingt hochwertig und unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Nährstoffe-Bedürfnisse – ein 20-jähriger Sportler braucht eine andere Versorgung als eine 40-Jährige mit stressigem Alltag oder eine 70-Jährige nach der Menopause usw.
Trotzdem ist eine gesunde, ausgewogene Ernährung natürlich eine wichtige Grundlage, die Nährstoffe zum Einnehmen können die sinnvolle Ergänzung sein. Dr. Orfanos-Boeckel stellt klar: "Es lassen sich mit der Nahrung nur sehr begrenzt die Blutwerte der Nährstoffe so verändern, dass sie die Stoffwechselfunktion beeinflussen. Heilung von Krankheiten und Beseitigung von unangenehmen Symptomen über die Ernährung als medizinische Methode geht nicht." Diejenigen, die penibel auf ihre Ernährung und Gesundheit achten, können versteckte Nährstoffmängel entwickeln. Die folgenden vier sind hierzulande, insbesondere bei Frauen, häufiger als gedacht.
Eisenmangel – Symptome gehen bis zur Blutarmut
„Wenn der Mensch Symptome hat, die zum Schlapp-Nährstoffbereich passen, z.B. bei diffusem Haarausfall oder bei dünneren und trockenen Haaren, macht es Sinn, sich auch ohne Blutarmut therapeutisch um zu niedrige Eisenspeicherwerte (Ferritin) zu kümmern“, so Dr. Orfanos-Boeckel. Ein Eisenmangel kann schon lange bestehen, bis er überhaupt richtig sicht- und spürbare Probleme macht.
Symptome eines Eisenmangels: Müdigkeit, kränkliches Aussehen, kaum sportliche Leistungsfähigkeit, Haarausfall, trockene Haut, Aphten (weiße Bläschen) an der Mundschleimhaut, eingerissene Mundwinkel, Muskelschwäche und evtl. auffällige Schilddrüsenwerte.
Im Extremfall: Wenn alle Eisenspeicher im Gewebe und im Blut vollkommen geleert sind, entwickelt sich – oft unbemerkt über Monate – eine Eisenmangelanämie. Der Körper braucht Eisen, damit das Knochenmark rote Blutkörperchen produzieren kann. Sie enthalten Hämoglobin, den roten Farbstoff des Blutes, der Sauerstoff in den Körper transportiert. Wenn zu wenig Hämoglobin vorhanden ist, können lebenswichtige Organe nicht mehr optimal mit Sauerstoff versorgt werden, u.a. sind extreme Blässe, Schwäche, Herzrasen und Kurzatmigkeit die Folgen.
Häufige Eisenmangel-Ursachen: Eisenmangel entsteht einerseits durch Eisenverlust, etwa durch starke Periodenblutungen, chronische (oft unbemerkte) Blutungen im Körper, wie z.B. bei Magengeschwüren, andererseits durch erhöhten Eisenbedarf, etwa bei Leistungssportlern durch die Muskelarbeit, bei Schwangeren durch das erhöhte Blutvolumen und bei stillenden Frauen, die Nährstoffe an die Muttermilch weitergeben. Außerdem kann auch zu wenig Eisen aufgenommen werden, das kann z.B. bei vegetarischer oder veganer Ernährung passieren oder wenn viele Lebensmittel konsumiert werden, die die Eisenaufnahme im Darm hemmen, wie Kaffee, Milchprodukte und Weißmehlprodukte.
Empfehlung der Expertin für gute Werte: Zielwert für ein gutes Ferritin bei Frauen ist 70–150 ng pro ml Blut. Das entspricht einer ordentlichen Versorgung aller Zellen mit Eisen. Männer haben von Natur aus höhere Ferritinwerte, hier wäre auch ein Ferritinwert bis maximal
300 ng/ml okay. Werte über 400 ng/ml sind zu hoch, oft liegt dann eine Fettleber vor.
Vitamin C – ein Mangel crasht das Immunsystem
"Es macht beim Thema 'Eisenmangel' immer auch Sinn, den Vitamin-C-Spiegel zu messen. Ist dieser niedrig, warum auch immer, wird Eisen schlecht resorbiert", rät die Expertin. Vitamin C fördert nicht nur die Eisenaufnahme, es ist so etwas wie der Allrounder unserer Gesundheit, eines der wichtigsten Antioxidantien überhaupt. Das bedeutet, Vitamin C schützt die Zellen vor Schädigungen, Veränderungen und dem Absterben, unterstützt somit u.a. die Entgiftung in der Leber, die Produktion der Schilddrüsenhormone, den Cholesterinabbau und die Gefäße.
Symptome eines Vitamin-C-Mangels: Häufiges Zahnfleischbluten, häufige Infekte, allgemeine Schlappheit, schnelle Überreizung, schlechte Wundheilung, hohe Cholesterinwerte.
Im Extremfall: Skorbut ist eine schwere Mangelkrankheit, die früher häufig bei Seefahrern beobachtet wurde und schon allein durch ihre äußerlichen Anzeichen drastisch war. Betroffene verloren ihre Zähne, hatten entzündete Haut, blaue Flecken und Muskelschwund. In den 1930ern entdeckte man, dass eine Unterversorgung mit Vitamin C hinter dem Verfall steckte, etwa, wenn während monatelanger Seereisen überhaupt kein frisches Obst und Gemüse verfügbar waren. In der heutigen Nahrungsauswahl und ärztlichen Versorgung westlicher Länder kommen solche Extremmängel nicht mehr vor.
Häufige Ursachen für Vitamin-C-Mangel: Wer sich in Deutschland "normal", aber oft unausgeglichen ernährt, bekommt keinen Skorbut, kann aber trotzdem Vitamin-C-Mängel aufweisen. Gerade, wer auf viele stark verarbeitete Lebensmittel wie Fertiggerichte zurückgreift und selten frische natürliche Nahrungsmittel zu sich nimmt, riskiert, nicht optimal mit dem Gesundheitsvitamin versorgt zu sein. Die Unterversorgung kann auch durch einen erhöhten Vitamin-C-Verbrauch entstehen, denn alles, was die Körperzellen "stresst", verbraucht Vitamin C, das als Antioxidans gegen diesen Stress arbeitet. Raucher verbrauchen beispielsweise mehr Vitamin-C,-weil ständig die Mini-Schäden durch das Zellgift Nikotin ausgeglichen werden. Auch nach Operationen und Knochenbrüchen arbeitet der Körper auf Hochtouren an der Heilung und verbraucht dabei besonders viel Vitamin C, wie selbst in psychischen Stressphasen.
Empfehlung der Expertin für gute Werte: Unter einer oralen Therapie sollte ein festgestellter Vitamin-C-Mangel auf Seruwerte auf mindestens > 10 mg/l angehoben und langfristig bei Spiegeln zwischen 10–20 mg/l gehalten werden.
Vitamin D – Mangel des Sonnenhormons trifft fast alle
"Vitamin D hat als Hormon hat nicht nur einen therapeutischen Sinn bei sehr kranken Körpern, es wird auch für die Gestaltung und den Erhalt der körperlichen Gesundheit gebraucht, um auf Stress, Erreger-Angriffe, Entzündungen und das Alter angemessen antworten", erklärt Dr. Orfanos-Boeckel. Auch wenn es Vitamin D heißt, verbirgt sich dahinter eigentlich ein Steroidhormon, das im Körper selbst gebildet wird. Dafür braucht es Sonneneinstrahlung auf die Haut und die ist in Deutschland mindestens ein halbes Jahr lang Mangelware. Hierzulande haben wahrscheinlich sehr viele Menschen zu wenig vom Sonnenhormon im Körper, ohne es zu wissen.
Symptome eines Vitamin-D-Mangels: Muskel- und Gliederschmerzen, Haarausfall, Infektanfäligkeit, schnelle Ermüdbarkeit.
Im Extremfall: Bei Babys und Kindern kann sich ein Vitamin-D-Mangel fatal aufs Wachstum auswirken. Rachitis heißt die Krankheit, bei der die Knochen weich werden, sich verformen und beispielsweise zu X- oder O-Beinen führen. Die häufigste Ursache von Rachitis ist eine Unterversorgung mit Vitamin D, denn das fördert die Einlagerung von Kalzium in den Knochen. Bei Erwachsenen erhöht ein niedriger Vitamin-D-Spiegel das Risiko für Knochenbrüche, älteren Menschen wird wahrscheinlich Osteoporose, also ein Abbau von Knochensubstanz, vom Vitamin-D-Mangel angetrieben.
Häufige Ursachen für Vitamin-D-Mangel: 80 Prozent des benötigten Vitamin D kann der Körper selbst herstellen, allerdings nur, wenn er die richtigen Voraussetzungen bekommt – das bedeutet, UVB-Strahlen in ausreichender Stärke auf die Haut treffen zu lassen. Von mindestens Oktober bis März scheint die Sonne in Deutschland aber nicht intensiv genug, und es ist auch nicht ohne weiteres möglich die empfohlenen ca. 20 Minuten täglich die Haut der Strahlung auszusetzen. Dazu kommt, dass man eigentlich versuchen sollte die Haut durch Sonnenschutzmittel vor UVB zu schützen. 20 Prozent des Vitamin-D-Bedarfs sollte über die Nahrung gedeckt werden, etwa durch den Verzehr von Milchprodukten, Eiern, bestimmten Fischarten oder Leber. Allerdings isst nicht jeder diese Lebensmittel gern und ständig.
Empfehlung der Expertin für gute Werte: In unseren Breitengraden kÖnnen alle (mit Ausnahme derer, die ganz hellhäutig sind) schon vieles besser machen, wenn sie „blind“
1000 IE oder im Winter auch 2000 IE Vitamin D täglich einnehmen.
Bei Selen-Mangel leiden Schilddrüse und Herz
"Selen ist antioxidativ und entscheidend für die Abwehrfunktion unseres Immunsystems. Es wird gebraucht bei der Umwandlung und Aktivierung unserer Schilddrüsenhormone, in unserem GlutathionEntgiftungssystem und es ist Bestandteil von Selenproteinen, die wichtig sind für u. a. den Herzmuskel. Selen unterstützt außerdem unsere Fortpflanzung", erklärt die Expertin. Aus der Inneren Medizin weiß sie, dass das Spurenelement Selen für sehr viele Stoffwechselprozesse wichtig ist und auch, dass die meisten von uns eher zu wenig davon haben.
Symptome eines Selen-Mangels: Schilddrüsenprobleme und ihre Folgen wie dünne, glanzlose Haare, Frieren und Müdigkeit, weiße Flecken auf den Nägeln, trockene Haut, häufige Infekte.
Im Extremfall: Wer über einen längeren Zeitraum deutlich zu wenig Selen aufnimmt oder krankheitsbedingt zu viel ausscheidet, riskiert schwere Komplikationen für den Herzmuskel (Kardiomyopathie) Die sogenannte Keshan-Krankheit tritt gehäuft in Regionen auf, in denen die Böden besonders selenarm sind, wie in einigen chinesischen Provinzen. Die Folgen sind Veränderungen des Herzmuskels, die wiederum zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzversagen führen können. Besonders gefährdet sind Kinder und junge Frauen. Bei Männern hingegen führt ein starker Selenmangel oft zu verminderter Spermienqualität und sogar Zeugungsunfähigkeit.
Häufige Ursachen für Selenmangel: Selen kommt als Mineral aus der Erde in die daraus wachsenden Pflanzen, die dann von Mensch und Tier gegessen werden. Je nach weltweiter Region enthalten die Böden mehr oder weniger Selen, in Deutschland vergleichsweise wenig. In Europa wird daher meist Tierfutter mit Selen angereichert, was zu einem höheren Gehalt des Spurenelements im Fleisch führt. Vegetarier und Veganer haben hier aber das Nachsehen. Neben der verminderten Aufnahme kann auch die erhöhte Ausscheidung von Selen zum Mangel führen, wie etwa bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die häufig zu einer ganzen Reihe an Nährstoffmängeln führen.
Empfehlung der Expertin für gute Werte: Die WHO rät zur Aufnahme von 50–200 μg Selen täglich, um unseren Mindestbedarf zu decken. Das Therapieziel von Dr. Orfanos-Boeckel liegt – je nach Patient:in - bei 140 – 160 μg/l. Die Realität unserer Selenversorgung sieht die Expertin düster: Nur ganz selten haben einzelne Menschen spontan Selenspiegel von über 120 μg/l. Die meisten (ca. 98 %) liegen unter 120 μg/l, aber erst ab einem Selenvollblutspiegel von über 120 μg/l ist der Wert hoch genug, um alle selenabhängigen Enzyme zu versorgen.
Bei vermutetem Mangel immer an Arzt oder Ärztin wenden
In den von Dr. Orfanos-Boeckel beschriebenen Symptomen finden sich wohl einige wieder, wichtig ist, dass alle, die glauben, unter einem Mangelzustand zu leiden, sich immer zunächst an Ärzt:innen wenden. Sie können sich in der Hausarztpraxis beraten und das Blut untersuchen lassen oder eben spezialisierte Ärzt:innen aufsuchen. Einfach auf eigene Faust Präparate einzunehmen, ist nicht ratsam, einerseits weil es Stoffe gibt, die man (theoretisch) überdosieren kann, andererseits, weil immer erst untersucht werden sollte, ob es nicht noch andere Ursachen für die Beschwerden gibt.
Und nicht zuletzt hilft jeder und jedem etwas anderes, so die Expertin: "Jeder von uns braucht eine persönliche Dosis jedes einzelnen Wirkstoffes, um den therapeutischen Zielbereich im Blutspiegel zu erreichen. Es ist also nicht die absolute Dosis eines Nährstoffes entscheidend, sondern dass wir mit der Dosis x den entsprechenden Wirkspiegel erreichen."
Bei der Nährstoff-Behandlung geht es vor allem darum, die störenden Mangel-Symptome in den Griff zu bekommen, wie Haarausfall.